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In der Meeresaquaristik hat der schlechte Leu-       kommen sein, nämlich an den Tagen                     von oben:
mund, den diese Mollusken durch das viele See-          Noahs, geschehen, zu welcher Zeit alle                Tridacna gigas in
mannsgarn früher hatten, auf andere Weise fortge-       Berge unter Wasser gestanden.“ Den                    Raja Ampat im Süd-
lebt: An so manchem Verkaufsaquarium im Handel          kritischen Einwand von Zeitgenossen,                  osten Indonesiens.
sieht man unsinnigerweise noch immer ein Schild         dass beim Zurückweichen der Sintflut
mit der Aufschrift „Mördermuschel“. Wahrschein-         auch die „Noahs-Gienmuscheln“, wie                    Tridacna-squamosa-
lich verkaufen sich die Tierchen so einfach besser. In  er sie nennt, wieder ins Meer hätten                  Fossil in Pangasinan,
Südostasien und auf den Pazifischen Inseln dagegen      zurückgespült werden müssen, wehrt                    Philippinen.
hatten die Menschen schon immer ein deutlich prag-      Rumpf mit der Berechnung ab, dass das
matischeres Verhältnis zu den Riesenmuscheln. Ihre      Fallen der Sintflut wenigstens fünfmal
Weichteile schätzten sie als Delikatesse, die großen    schneller vor sich gegangen sei, als
Schalen der Mollusken verwendeten sie als Futter-       eine gewöhnliche Ebbe, so dass es
trog für Schweine oder als Kinderbadewanne, und         den Muscheln unmöglich gewesen sei,
die Chinesen bezahlten für den Schließmuskel einer      den Rückzug mitzumachen. Und er
Riesenmuschel mithin ein kleines Vermögen, weil sie     sieht einen weiteren Grund für die An-
ihm eine aphrodisierende Wirkung zuschrieben.           wesenheit der Riesenmuschel-Schalen
                                                        auf den Bergen: „Überdies hat auch
   In der westlichen Welt dagegen blieb das Bild,       Gott ohne Zweifel hier und da solche
das man von diesen gewaltigen Mollusken hatte,          Merkmale der allgemeinen Sündflut
noch bis in die 50er-Jahre des vergangenen Jahr-        wollen überbleiben lassen, weil er
hunderts hinein von den Abenteurergeschichten der       vorausgesehen, dass in der letzteren
vergangenen Epochen geprägt, bis sich schließlich       Zeit naseweise Menschen aufstehen
Wissenschaftler intensiv mit der Erforschung dieser     würden, welche die Wahrheiten der
Tiere befassten, aufbauend auf den wichtigen Vorar-     Heiligen Schrift auch in diesem Stücke
beiten von Yonge (1936) und Mansour (1946). Rund        würden zu kränken suchen.“ (Zitiert
drei Jahrhunderte zuvor, als der holländische Na-       aus Brehms Tierleben, dritte Auflage,
turforscher Georg Eberhard Rumpf (1627-1702) auf        1893)
der Insel Ambon die Natur studierte, waren auch
in Europa die Vorstellungen von einem anderen           Warum sind Riesenmuscheln groß?
Weltbild geprägt. Rumpf versuchte, die Anwesen-            Diese eindrucksvollen Weichtiere haben ihre
heit gigantischer, fossiler T.-gigas-Schalen in großen
Höhenlagen auf der Insel Ambon und auf Bergen           Größe als einzigartige Anpassung an einen nähr-
der Molukken – wie wir heute wissen, aus Zeiten         stoffarmen Lebensraum entwickelt. Herkömmliche
höheren Meeresspiegels – zu erklären. Die damals        Muscheln leben als Filtrierer und sieben feinste
gängige Meinung, diese Fossilien seien „gleichsam       Schwebestoffe aus dem Meerwasser, um sich davon
eine natürliche Frucht der Klippen, und auf den         zu ernähren. Das beschränkt sie auf sediment- und
Bergen gewachsen“, findet Rumpf „nach Erwägung          planktonreiche Habitate, denn in sauberem Wasser
aller Gründe unwahrscheinlich und ungereimt“. Er        hungern sie. Riesenmuscheln der Familie Tridacnidae
hat stattdessen eine andere Erklärung: „Wenn denn       dagegen sind – ähnlich wie die meisten Korallenarten
nun diese Muscheln nicht auf den Bergen gewachsen       – eine Lebensgemeinschaft mit einzelligen Algen ein-
sind, noch von Menschen dahin getragen worden, so       gegangen, die in ihrem Körper leben. Diese „Unter-
sind keine näheren Ursachen ausfindig zu machen,        mieter“ gehen wie höhere Pflanzen der Fotosynthese
als dass sie durch eine große Flut dahin müssen ge-     nach, und einen Teil ihrer Stoffwechselprodukte rei-

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