Page 13 - knop_riesenmuscheln
P. 13
In der Meeresaquaristik hat der schlechte Leu- kommen sein, nämlich an den Tagen von oben:
mund, den diese Mollusken durch das viele See- Noahs, geschehen, zu welcher Zeit alle Tridacna gigas in
mannsgarn früher hatten, auf andere Weise fortge- Berge unter Wasser gestanden.“ Den Raja Ampat im Süd-
lebt: An so manchem Verkaufsaquarium im Handel kritischen Einwand von Zeitgenossen, osten Indonesiens.
sieht man unsinnigerweise noch immer ein Schild dass beim Zurückweichen der Sintflut
mit der Aufschrift „Mördermuschel“. Wahrschein- auch die „Noahs-Gienmuscheln“, wie Tridacna-squamosa-
lich verkaufen sich die Tierchen so einfach besser. In er sie nennt, wieder ins Meer hätten Fossil in Pangasinan,
Südostasien und auf den Pazifischen Inseln dagegen zurückgespült werden müssen, wehrt Philippinen.
hatten die Menschen schon immer ein deutlich prag- Rumpf mit der Berechnung ab, dass das
matischeres Verhältnis zu den Riesenmuscheln. Ihre Fallen der Sintflut wenigstens fünfmal
Weichteile schätzten sie als Delikatesse, die großen schneller vor sich gegangen sei, als
Schalen der Mollusken verwendeten sie als Futter- eine gewöhnliche Ebbe, so dass es
trog für Schweine oder als Kinderbadewanne, und den Muscheln unmöglich gewesen sei,
die Chinesen bezahlten für den Schließmuskel einer den Rückzug mitzumachen. Und er
Riesenmuschel mithin ein kleines Vermögen, weil sie sieht einen weiteren Grund für die An-
ihm eine aphrodisierende Wirkung zuschrieben. wesenheit der Riesenmuschel-Schalen
auf den Bergen: „Überdies hat auch
In der westlichen Welt dagegen blieb das Bild, Gott ohne Zweifel hier und da solche
das man von diesen gewaltigen Mollusken hatte, Merkmale der allgemeinen Sündflut
noch bis in die 50er-Jahre des vergangenen Jahr- wollen überbleiben lassen, weil er
hunderts hinein von den Abenteurergeschichten der vorausgesehen, dass in der letzteren
vergangenen Epochen geprägt, bis sich schließlich Zeit naseweise Menschen aufstehen
Wissenschaftler intensiv mit der Erforschung dieser würden, welche die Wahrheiten der
Tiere befassten, aufbauend auf den wichtigen Vorar- Heiligen Schrift auch in diesem Stücke
beiten von Yonge (1936) und Mansour (1946). Rund würden zu kränken suchen.“ (Zitiert
drei Jahrhunderte zuvor, als der holländische Na- aus Brehms Tierleben, dritte Auflage,
turforscher Georg Eberhard Rumpf (1627-1702) auf 1893)
der Insel Ambon die Natur studierte, waren auch
in Europa die Vorstellungen von einem anderen Warum sind Riesenmuscheln groß?
Weltbild geprägt. Rumpf versuchte, die Anwesen- Diese eindrucksvollen Weichtiere haben ihre
heit gigantischer, fossiler T.-gigas-Schalen in großen
Höhenlagen auf der Insel Ambon und auf Bergen Größe als einzigartige Anpassung an einen nähr-
der Molukken – wie wir heute wissen, aus Zeiten stoffarmen Lebensraum entwickelt. Herkömmliche
höheren Meeresspiegels – zu erklären. Die damals Muscheln leben als Filtrierer und sieben feinste
gängige Meinung, diese Fossilien seien „gleichsam Schwebestoffe aus dem Meerwasser, um sich davon
eine natürliche Frucht der Klippen, und auf den zu ernähren. Das beschränkt sie auf sediment- und
Bergen gewachsen“, findet Rumpf „nach Erwägung planktonreiche Habitate, denn in sauberem Wasser
aller Gründe unwahrscheinlich und ungereimt“. Er hungern sie. Riesenmuscheln der Familie Tridacnidae
hat stattdessen eine andere Erklärung: „Wenn denn dagegen sind – ähnlich wie die meisten Korallenarten
nun diese Muscheln nicht auf den Bergen gewachsen – eine Lebensgemeinschaft mit einzelligen Algen ein-
sind, noch von Menschen dahin getragen worden, so gegangen, die in ihrem Körper leben. Diese „Unter-
sind keine näheren Ursachen ausfindig zu machen, mieter“ gehen wie höhere Pflanzen der Fotosynthese
als dass sie durch eine große Flut dahin müssen ge- nach, und einen Teil ihrer Stoffwechselprodukte rei-
11