Page 16 - diy Ausgabe 01/2020
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Handel Fachkräftemangel

Am Anfang war der
Fachkräftemangel

Der Handwerkermangel in Deutschland ist eigentlich
eine Chance für den Baumarkt, meint Marc Kreisel.
Nur: Man muss sie auch aktiv angehen.

Hans Peter Wollseifer, Präsident   der Azubis, da sich inzwischen      Wo schwarz gearbeitet wird
des Zentralverbands des deut­      fast 60 Prozent der Schulabgän­
schen Handwerks, schätzt die       ger eines Jahrgangs für die aka­     Von 100 Prozent Schwarzarbeit entfallen auf …
Zahl der offenen Stellen im Hand­  demische Ausbildung entschei­
werk auf 250.000. Das Resultat:    den. Die Situation wird sich also   Bau,          Schreiben und Übersetzen 8,7%
Die Auftragsbücher sind voll und   weiter verschärfen. Die Erosion     Renovierung,           Kraftfahrdienste 5,4%
die Wartezeiten für den Kunden     des Handwerks hat Folgen.           Reparaturen            Nachhilfe/Musik 4,7%
lang, die Kosten für den Kun­
den steigen. Dabei kommen die          Osteuropäische mobile Gene­     44,6%
wachsenden Kosten aber nicht       ralisten helfen in der Not. Ange­
automatisch beim Handwerker        sichts voller Auftragsbücher steht                Handwerkliche Arbeiten 4,7%
an. Staat, Sozialkasse und Meis­   der Austausch eines defekten
ter teilen gerne wachsende Ge­     Wasserhahns beim Verbraucher                Sonstiges 24,5%                  Gartenarbeit 4,0%
winne. Die niedrigen Löhne sind    eher unten auf der To­do­Liste                                              Landwirtschaft 3,4%
dann nicht unbedingt die Ein­      der etablierten Meisterbetriebe.    Quelle: F. Schneider, Universität Linz
ladung für den Nachwuchs im        Obendrein bildete die Reform
Handwerk. Die demografische        der deutschen Handwerksord­         die Hagebau in einer Studie             Fachhandel. Gleichfalls sind die
Entwicklung der sinkenden Kin­     nung im Jahr 2004 mit dem Ent­      den Umsatz der mobilen Gene­            osteuropäischen Handwerker
derzahlen und Schulabgänger        fall der Meisterpflicht die Basis   ralisten auf erstaunliche 14,7          sehr baumarktaffin. Vorurteile ge­
tut ihr Übriges. Es bleiben jähr­  für die weitere Entwicklung für     Mrd. Euro. Damit lag damals der         genüber der vermeintlich schlech­
lich rund 15.000 bis 20.000 der    die Ausübung vieler Handwerke.      Marktanteil der mobilen Genera­         teren Qualität von Baumarktpro­
Lehrstellen im Handwerk unbe­      Ein neuer Typus von Handwerker      listen bereits bei 25 Prozent al­       dukten gibt es hier nicht. Damit
setzt. Zudem sinkt die Qualität    hat sich als Konsequenz etabliert.  ler Handwerksbetriebe innerhalb         werden die mobilen Generalisten
                                   Mobile Generalisten (White Van      der Baubranche – Tendenz stei­          als Zielgruppe für die Baumärkte
 Der Autor:                        Men/Van People), häufig aus Ost­    gend. Schätzungen gehen davon           zunehmend interessanter.
                                   europa, bieten ihre Dienste preis­  aus, dass die Van People im Jahr
  Marc Kreisel,                    wert und zuverlässig an. Diese      2020 knapp 20 Mrd. Euro umset­          Chance Nummer 1
  Marketingexperte                 Kleinbetriebe verzichten auf eine   zen werden.                             Bedingt durch den feststellbaren
                                   eigene Werkstatt, können somit                                              Trend auf Seiten privater Endver­
                                   ihren eigenen Kostenapparat             Das Problem der mobilen             wender zum Do­it­for­me werden
                                   deutlich senken und geben diese     Generalisten: Es gibt selten eine       immer mehr Projektarbeiten rund
                                   Kostenvorteile dann an ihre Kun­    in Deutschland eingetragene             um Haus und Garten an Dritte
                                   den weiter.                         Firma, zum Teil auch keinen fes­        vergeben, in der Regel auch an
                                                                       ten Wohnsitz in Deutschland. Da­        Kleinstunternehmen oder Einzel­
                                       Der Branchen­Experte Klaus      mit bekommt diese Kundschaft            kämpfer. Die konzeptionelle Zu­
                                   Peter Teipel spricht von aktuell    häufig kein Kundenkonto beim
                                   250.000 bis 300.000 handwerk­
                                   lichen Generalisten in Deutsch­
                                   land. Bereits 2015 errechnete

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