Page 55 - terraristik Ausgabe 4/2014
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Der Chuckwalla zeigt ein ganzes Verhal- denn anderenfalls würden wir durch
tensrepertoire, um die Temperatur zu unsere Annäherung schnell die Flucht
regulieren. Ein Großteil des Verhaltens auslösen.
dient dazu, die Körpertemperatur in Und dann kann es stundenlang dau-
dem optimalen Bereich zwischen 35 ern, bis sie sich wieder hervorwagen.
und 40 °C zu halten, damit Aktivitäten Da kommt es uns sehr entgegen, dass
wie Nahrungssuche, Revierverteidigung Chuckwallas Spätaufsteher sind, vor
oder Partnersuche überhaupt stattfin- allem im Frühjahr. Sie verlassen ihr
den können. Als wechselwarmes Reptil Versteck frühestens gegen 9 Uhr, wenn
hat der Chuckwalla damit in der Wüste die Sonne schon längere Zeit die Fels-
zwei Probleme: Am Morgen ist sein Kör- oberfläche aufgeheizt hat.
per durch die Übernachtung in einer Nach der langen Nacht in der kühlen
tiefen Felsspalte selbst im Sommer un- Spalte gilt es, Wärme zu tanken, und
terkühlt und muss aufgeheizt werden. das geht jetzt auf doppelte Weise: Ei-
Am Mittag sind Luft- und Felstempera- nerseits wird der ganze Rücken in sei-
turen zu hoch, sein Körper darf aber ner vollen Breite von der Sonne be-
den kritischen Wert von 40 °C nicht strahlt, denn die Echse dreht sich so,
überschreiten, er muss sich abkühlen. dass die Strahlen im rechten Winkel
Aber da er nicht wie gleichwarme auf die dunkle Haut auftreffen und so-
Säugetiere über Regulationsmechanis- mit ein Maximum an Wärmeenergie
men verfügt, die die Körpertemperatur aufgenommen werden kann. Anderer-
unabhängig von der Außentemperatur seits presst sie mit seitlich wegge-
auf einem gleichbleibenden Niveau spreizten Beinen die gesamte Körper-
halten, kann er unter den extremen unterseite auf das erwärmte Gestein,
Wüstenbedingungen nur überleben, das wie ein Heizkissen wirkt. Je mehr
weil angeborene Verhaltensweisen ihm Hautfläche Kontakt zum Felsen hat,
helfen, die optimale Temperatur für umso besser. Dieses erste Aufwärmen
seine Aktivitätsphase zu erreichen, sie dauert bei Weitem am längsten.
während dieser Zeit zu halten und auf
keinen Fall zu überschreiten. Ange- Feinere dosierung
passt an die Besonderheiten des Bio-
tops mit – je nach Tageszeit – in der In der zweiten Phase geht es darum, die
Sonne oder im Schatten liegenden Wärmeaufnahme zu verlangsamen. Da-
Fels partien sowie den Felsspalten, die zu wird der Körper-Boden-Kontakt redu-
mit zunehmender Tiefe immer kühler ziert: Der Chuckwalla beginnt, sich mit
werden, hat sich ein ganzer Katalog den Vorderbeinen hochzustemmen, erst
von einzelnen Verhaltensschritten ent- nur ein wenig, dann immer mehr, bis
wickelt, die eine Feinabstimmung der nur noch der hintere Teil des Bauchs auf
Körpertemperatur möglich machen: dem Felsen liegt. Luft, die weniger warm
Ein perfektes thermoregulatorisches ist als die Felsoberfläche, kann unter
Verhaltensrepertoir. dem Vorderkörper zirkulieren. Über den
Rücken wird nach wie vor die maximal
Erste Wärme tanken mögliche Wärmeenergie aufgenommen.
In der dritten Phase wird die Wärme-
Um dieses zu beobachten, haben zufuhr noch feiner dosiert. Der Chuck-
wir uns vor allem die Chuckwalla-Re- walla dreht sich um 180 Grad, behält
viere vorgemerkt, an die man leicht he- aber die Position „vorne hoch, hinten
ranklettern kann. Wir müssen früh am runter“ bei. Durch die Drehung reckt
Morgen Posten an ihren zum Sonnen- sich nun der Kopf der Sonne entgegen,
baden bevorzugten Felsen beziehen, die Sonnenstrahlen treffen von vorne
bevor sie ihre Schlafspalte verlassen, auf den schräg aufgerichteten Körper.
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