Page 21 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 01/2022
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sCHWERPUNKTTHEMA
WARUM HANdEl MIT WIldFäNGEN?
Ein kleiner Teil, etwa 20.000 Aquarianer und Aquarianerinnen, ist
in Vereinen bundesweit oder international organisiert, betreibt die
Aquarienkunde ernsthafter und mit einem hohen Forschungsan-
spruch. Ausnahmslos alles, was wir über die Biologie von Kleinfi-
schen weltweit wissen, verdanken wir der Aquarienkunde.
Durch rechtliche Einschränkung des Handels, der Pflege und
Zucht von Kleinfischen und besonders von Wildfängen würden
Arten unnötig gefährdet und die Forschung um Jahrzehnte zurück-
geworfen. Analoges gilt für sämtliche Kleintiere, auch Korallenfi-
sche, Reptilien, Amphibien, Kleinvögel, Kleinsäuger und Wirbellose.
Die bestehenden Gesetze, vor allem das Washingtoner Arten-
schutzabkommen (CITES), sind völlig ausreichend. Die dortige Lis-
tung bedeutet nicht, dass eine Art selten ist, sondern so attraktiv,
dass man bei einem unkontrollierten (!) Handel eine Gefährdung
befürchtet.
Eine exzessive CITES-Listung von Spezies ist jedoch kontrapro-
duktiv. Ist nämlich eine Art gar nicht handelsrelevant, wird durch
eine Beschränkung ein Schwarzmarkt geschaffen, der vorher über-
Deltaflügelwelse Hara jerdoni werden per Hand am Fluss Tista in haupt nicht existierte. Zuvor frei handelbare, aber eigentlich unver-
Indien gefangen. käufliche und für eine breite Käuferschicht uninteressante Arten
werden durch eine CITES-Listung plötzlich teuer und das allein
macht sie zum Ziel skrupelloser, gesetzloser Geschäftemacher.
Fang von Dario dario am „Ghotigangga Creek“, Indien.
AKTIVE ENTWICKlUNGsHIlFE
Fang- und Handelsverbote haben keinerlei positive Auswirkungen
auf die natürlichen Bestände, wie man anhand der jährlich länger
werdenden Roten Listen europäischer Kleintierarten sehen kann.
Keine einzige europäische Art wird in nennenswertem Umfang
als Wildfang in Privathand gepflegt, trotzdem sind immer mehr
gefährdet.
Der nachhaltige Fang von Vivarientieren ermöglicht in struk-
turarmen Ländern ein Einkommen aus der Natur. Das ist aktive
Entwicklungshilfe! Gleichzeitig wird dadurch aus wertlosen Brach-
flächen, die stets von Brandrodung und Urbarmachung bedroht
sind, ein wirtschaftlich interessanter und darum schützens- und
erhaltenswerter Raum. Da Kleintiere nur in intakten Lebensräu-
men überleben, ist der Kauf von Wildfängen direkter Natur- und
Umweltschutz und damit der effektivste Artenschutz, den man
sich vorstellen kann.
Text & Fotos: Frank Schäfer
Dieser Artikel basiert auf einem Text von 2013 aus Aqualog Bookazine No. 1
Einfluss, es ist auf die vollständige Zerstörung der Lebensräume
durch den Menschen zurückzuführen.
Nur bei zwei Arten der Kategorie „kritisch gefährdet“ wird die Frank Schäfer, geboren 1964, Diplom-Biologe, seit
frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Lei-
Überfischung für den internationalen Zierfischhandel als (Teil-) denschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher
Grund für den Niedergang freilebender Populationen angegeben, den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose,
nämlich bei der thailändische Haibarbe und einem großwüchsigen Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflan-
zen begeistern ihn ebenso
Tigerbarsch.
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