Page 20 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 01/2022
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Die Zerstörung der
Lebensräume durch den
Menschen ist der ein-
zige ernstzunehmende
Grund für das weltweite
Artensterben.
Noch niemals konnte eine Exemplaren in etwas
unerwünschte Spezies, hier mehr als einem Jahr!
der Sonnenbarsch Lepomis Bei angenommenen 20
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gibbosus, durch Befischung Jungtieren pro Wurf sind es
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wieder entfernt werden.
schon 46.900 Nachkommen, bei
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50 pro Wurf über 20 Millionen – also in
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dieser Arten durch Abfischen ist bisher kläglich ge- etwa die Menge, die jährlich in Spitzenzeiten
scheitert. Je mehr erwachsene Fische weggefangen werden, desto an Roten Neon aus Brasilien exportiert wurde.
stärker vermehrt sich die Population. Wo vorher hundert stattliche Wohlgemerkt, das ist der Nachwuchs von einem einzigen Weib-
Fische lebten, schwimmen nach deren Abfischen kurze Zeit später chen nach vier Generationen in etwas über einem Jahr! Die tat-
tausende von kleinen, sich munter fortpflanzenden Exemplaren… sächlichen Nachkommenzahlen bei Kleinfischen sind erheblich
Es ist also schlicht unmöglich, eine Kleinfischart in einer intakten höher.
Umwelt durch Fang auszurotten. Das hängt vor allem mit dem Fast alle handelsrelevanten Kleinfischarten – der Rote Neon ist
ungeheuren Vermehrungspotenzial praktisch aller Fische zusam- wirklich eine Ausnahme – werden überwiegend oder ausschließ-
men. Denn selbst die Arten, die nur wenige Jungtiere produzieren, lich als Nachzucht gehandelt. Nicht aus Artenschutzgründen, der
vermehren sich in riesigen Mengen, verglichen mit Säugetieren gegenwärtige Aquarienfischmarkt verlangt nach ganzjährig gleich-
oder Vögeln. Trotzdem bleiben statistisch gesehen von den Millio- bleibender Qualität und kalkulierbaren Preisen. Ein Naturprodukt
nen von Nachkommen, die ein Fischpärchen zeugen kann, immer ist mal leichter und mal schwerer zu fangen, mal dicker und mal
nur zwei Exemplare übrig, die sich wieder fortpflanzen. dünner, mal stabil und mal labil, je nach Saison. Darum werden
praktisch alle Standardfische als Nachzuchten gehandelt.
VERMEHRUNGsRATEN Die überwältigende Mehrzahl der Aquarienbesitzer auf der Welt
Zu den Arten mit der geringsten Produktivität in Sachen Nach- interessiert sich wenig bis gar nicht für die gewaltige Artenvielfalt,
wuchs gehören die Lebendgebärenden Zahnkarpfen, also Guppy, die gerade Fische zu bieten haben. Die Kriterien, nach denen
Platy, Schwertträger, Molly & Co. Sie bringen pro Wurf nur 10- diese Aquarienbesitzer den Besatz für ihr Aquarium aussuchen,
150 Jungtiere, je nach Größe, Alter und Ernährungszustand des sind völlig andere: Sind die Tiere pflegeleicht? Sehen sie gut aus?
Muttertieres. Verglichen mit Eierlegern ist das ein Witz, laichen Vertragen sie sich mit den anderen Fischen? Darum gibt es im
doch selbst die winzigen Neonsalmler 50-100 Eier pro Laichgang Zoofachhandel das so genannte Standardsortiment.
und das alle sechs Tage, während zwischen den Würfen der Le- Nach der Internationalen Roten Liste (IUCN, http:// www.
bendgebärenden vier bis sechs Wochen liegen. iucnredlist.org, abgerufen am 11. November 2021) sind derzeit
Selbst wenn ein Guppy nur zehn Jungfische pro Wurf hat, die 83 Fischarten vollständig ausgestorben, die Mehrzahl davon wurde
ihrerseits wieder nur zehn Jungfische pro Wurf produzieren und noch nie im Aquarium gepflegt, bei keiner einzigen wird Über-
so weiter, ergibt sich von einem einzigen Ausgangstier nach vier fischung für den Zierfischhandel als Grund angegeben. Auf das
Generationen eine theoretische Nachkommenzahl von 19.450 Aussterben kleiner Arten hatte der Fang der Zuch�ere keinerlei
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