Page 24 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 04/2017
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TITELTHEMA
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            Harnischwelse (Familie Loricariidae) leben in den unterschied-  HARNISCHWELSFANG
            lichsten Habitaten und in allen Gewässertypen, das heißt im Klar-,   Der Fang der Harnischwelse ist durch die jahreszeitlich bedingt­
            Weiß- und Schwarzwasser. Außerdem haben sie sehr unterschied-  ten, extremen Schwankungen des Wasserstands, die zwischen
            liche Ernährungsansprüche. Neben Alles- und Aufwuchsfressern,   fünf und zehn Meter betragen können, zeitlich auf die Monate

            gibt es unter ihnen auch reine Pflanzen- bzw. Algenfresser sowie   Dezember bis Februar begrenzt, in die der Höhepunkt des jähr-
            Detritus-, Holz- und Fleischfresser, die sich von Wirbellosen, ins-  lichen Niedrigwassers fällt. Während der Hochwasserperiode, in
            besondere Insektenlarven, Kleinkrebsen und Mollusken, ernähren.   welcher der Rio Ventuari im jahreszeitlichen Rhythmus ansteigt
            Die Form von Maul und Zähnen ist dem jeweiligen Nahrungser-  und dann den angrenzenden Urwald weit überschwemmt, ist es
            werb entsprechend angepasst.                            unmöglich, die Fische zu fangen.

                                                                      Während des Niedrigwassers kann man am Fluss oft auf Fa-
            KENNZEICHEN                                             milien treffen, die ihr Heimatdorf zeitweilig verlassen haben. Sie



            Charakteristische Merkmale aller Harnischwelse bilden ihre ge-  leben  vorübergehend  in  behelfsmäßig  errichteten  Hütten  auf
            panzerten Körper und ihr unterständiges Saugmaul. Alle besitzen   Sandbänken  in  der  unmittelbaren  Nachbarschaft  von  felsigen




            einen abgeflachten, langgestreckten Körper und sind an den Kör-  Flussabschnitten, um von dort aus als Zierfischfänger zu arbei-

            perseiten durch die namengebenden Knochenplatten gepanzert.   ten und die Loricariiden zu fangen. Mithilfe von Taucherbrillen

            Bei einigen Arten ist sogar die Bauchseite durch Knochenschilde   werden die vorwiegend nachtaktiven Fische von ihnen zwischen


            geschützt. Das Maul besitzt kräftige Lippen und ist zu einer Saug-  den Felsen in Spalten und Höhlen aufgespürt, in denen sie sich
            scheibe umgebildet. Dadurch ist es hervorragend dazu geeig­  tagsüber au�alten.

            net, Aufwuchsnahrung von Steinen abzuraspeln, und mit seiner

            Hilfe können sich die Tiere in Stromschnellen und bei kräftiger   EINIGE ARTEN

            Strömung durch Ansaugen an passenden Unterlagen festhalten.   Zu den farblich auffälligsten Harnischwelsen, die im Rio Ventuari
            Bei Gefahr spreizen Harnischwelse ihre mit oft hakenförmigen   gefangen werden, zählt Baryancistrus demantoides, der Hochflos-


            Odontoden (Hautzähnchen) besetzten Kiemendeckel und Brust-  sen-Phantomwels (früher als L 200a „High Fin“ bezeichnet). Die

            flossen ab. Diese Hautzähnchen sind dorn- oder stachelförmige,   kräftig gelbe Färbung der Jungfische weicht allerdings später bei


            verknöcherte Auswüchse auf der Hautoberfläche.          erwachsenen Exemplaren dieses Aufwuchsfressers, der etwa 20


                                                                    Zentimeter lang werden kann, einem dunklen Gelbgrün. Weniger
            HERKUNFT                                                attraktiv gefärbt, dafür aber erheblich kleiner bleibt Baryancistrus



            Zu den wichtigsten Ländern, aus denen Harnischwelse für die   beggini (L 239), denn die maximale Länge dieses Harnischwelses



            Aquaristik nach Deutschland exportiert werden, gehört neben   beträgt nur 10 bis 12 Zentimeter.
            Brasilien auch Venezuela, wo diese Fische im Einzugsgebiet des   Ihrer  kontrastreichen  Färbung  und  geringen  Größe  wegen

            oberen Orinoko in besonders großer Artenvielfalt verbreitet sind.   sind auch zwei im Rio Ventuari verbreitete Vertreter der Gattung
            Ein wichtiges Zentrum für ihren Fang bildet dort im Bundesstaat   Hypancistrus in der Aquaristik sehr beliebt. Hypancistrus contra-



            Amazonas der Rio Ventuari.                              dens (früher L 201 „Big Spot“) ist mit ungefähr 12 Zentimetern
               Der Rio Ventuari
               Mit einer Länge von etwa 520 Kilometern ist er einer der
               größten Nebenflüsse des Orinoko. Sein Einzugsgebiet wird
               auf 40.000 Quadratkilometer geschätzt. Zusammen mit seinen
               Quellflüssen entwässert der Rio Ventuari in südwestlicher Rich-
               tung das Hochland von Guyana, weshalb er häufig Abschnitte
               mit felsigem und steinigem Ufer und viele Stromschnellen be-
               sitzt. In derartigen Flussabschnitten werden die Harnischwelse
               gefangen. Das Wasser im Rio Ventuari, eine Mischung aus Weiß-
               und Schwarzwasser, ist mineralarm (Leitfähigkeit um 20 µS/  Nur zu Zeiten des Niedrigwassers können die Harnisch-
               cm) und leicht sauer (pH-Wert 6,5-7,0).                 welse gefangen werden.





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