Page 47 - terraristik Ausgabe 4/2014
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die Ecdysis
Zur Häutung zieht sich die Krabbe in ihren Bau oder
unter einen Stein zurück. Der Panzer bricht an vor-
gesehenen Bruchkanten auf und der Rücken hebt
sich wie der Deckel einer Box an, Muskelkontrakti-
onen lockern die Gliedmaßen im alten Panzer. Die
Krabbe zieht und schiebt sich aus dem alten Panzer
hinaus. Dem Körper folgen die Laufbeine und ganz
zum Schluss müssen Mundwerkzeuge und die Sche-
renarme aus dem alten Exoskelett hinausgezogen
werden. Das muss schnell gehen, denn auch die
Kiemen werden gehäutet, so dass das Tier während
dieser Zeit nicht atmen kann. Geht in diesem Sta-
dium etwas schief, erstickt es.
Auch die dicken Scheren sind nicht einfach:
Der Scherenmuskel wird in der Vorhäutungspha-
se etwas abgebaut. Nach der Häutung nimmt das
Tier schnell Wasser auf, um die neue Haut aufzu-
pumpen. Die sieht in dieser Phase noch schrum- dem Wasser. Im Süßwasser ist weniger Kalk gelöst, Einige Krabbenarten
pelig und wächsern aus. Die nach der Häutung Krabben hier fressen darum oft auch noch ihren al- fressen oft ihren
alten Panzer auf,
zurückbleibende alte Schale, die Exuvie, klappt ten Panzer auf, um das darin verbaute Kalzium nicht um das darin zurück-
gebliebene Kalzium
wieder zusammen und sieht einem toten Tier täu- zu verlieren. Für terrestrische Krabben gilt das – je
wiederzugewinnen.
schend ähnlich. Weil sie sich mit Wasser voll- nach Verfügbarkeit von Kalziumquellen – ebenfalls. Hier eine marine
saugt, ist sie auch genauso schwer. Am besten zu Viele Spezies resorbieren Salze aus ihrer alten Grapsus albolinea-
tus.
erkennen ist sie an den leeren Augenhüllen. Exuvie und speichern sie in Form von Gastroli-
then, den sogenannen Krebssteinen, im Vorder-
landkrabben darm. Nach der Häutung können diese Kalzium-
salze in den neuen Panzer eingebaut werden.
Schon für aquatische Krabben ist die Häutungszeit Manche Arten speichern Mineralien im Hepato-
voller Stress, weil der Häutungsprozess selber ge- pankreas (Mitteldarmdrüse) und teilweise auch in
fährlich ist und die frisch gehäutete, weiche Krab- der Hämolymphe (Blut).
be ein hohes Risiko hat, zur Beute zu werden. Für
Landkrabben gibt es zusätzliche Komplikationen: hormonelle Kontrolle der häutung
Das Risiko der Austrocknung ist größer und Wasser
für den Größenzuwachs zu finden, ist schwieriger. Normalerweise wird die Krabbe durch ein Hormon
Gecarcinus-Spezies haben gar kein freies Was- im Zwischenhäutungs-Stadium gehalten, das im
ser zur Verfügung, sie nehmen es aus feuchtem X-Organ-Drüsenkomplex in den Augenstielen pro-
Substrat auf. Gespeichert wird es in der Hämolym- duziert wird, das MIH (molt-inhibiting hormone).
phe und vor allem in den perikardialen Säcken. Die- Das MIH wiederum unterdrückt die Aktivität der
se Beutel liegen am Ende der Kiemenkammern und Y-Organe oder Häutungsdrüsen neben den Mandi-
sind am weitesten entwickelt bei den Landkrabben, beln. Die Y-Organe sekretieren α-Ecdyson, das in
die sich eben nicht direkt mit Wasser aus der Umge- anderen Geweben zum „Active Molting Hormone“
bung aufpumpen können. Die äußerst terrestrische umgewandelt wird. Wenn die Produktion von MIH
Gecarcinus lateralis (die soweit ans Landleben an- sinkt, steigt also die Produktion des Häutungshor-
gepasst ist, dass sie sogar ertrinken kann) bläht mons Ecdyson und die Vorhäutungsphase wird
sich nach der Häutung mit Darmgasen auf. eingeleitet. Dieser Regulationsmechanismus wird
Das letzte Problem für Landkrabben bei der Häu- von einer Kombination innerer (sexuelle Reife, Ver-
tung ist die Versorgung mit ausreichend Kalzium- lust von Gliedmaßen) und äußerer Faktoren (Licht,
salzen für das Aushärten der neuen Hülle. Meer- Temperatur oder Regenfall) aktiviert oder unter-
wassercrustaceen resorbieren die nötigen Salze aus drückt.
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