Page 65 - terraristik Ausgabe 1/2013
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Auf gezieltes Nachfragen bestätig- anders geht, und bleibt im Wachstum
ten die Besitzer, dass „Speedy“ zurück. An diesem Kräfteverhältnis än-
von Beginn an dominant war, dert sich nichts durch Abwarten, es en-
mit Drohgesten und Beiße- det meist mit dem Tod des unterlege-
reien das Partnertier in sei- nen Tieres nach langer Leidenszeit.
ne Schranken verwies. „Lisa“ Auch bei der Integration eines neu-
kam immer seltener zur Fütte- en Tieres in eine bestehende Gruppe
rung – der für sie gefährlichsten Si- besteht immer die Gefahr, dass sich
tuation. Es handelte sich also um ei- das bis dahin vielleicht gut funktionie-
nen klassischen Fall von innerartlicher rende und stabile Gefüge völlig ver-
Aggression. Das ist kein seltener Einzel- schiebt. Generell besteht der Glaube,
fall, sondern kommt extrem oft vor und dass Aggressionen immer nur vom Dr. Friederike Weinzierl und
wird häufig von den Besitzern nicht er- Männchen ausgehen, es betrifft aber Maite Schneider betreiben eine
kannt oder ernst genug genommen. genauso reine Weibchengruppen und Tierarztpraxis in München
(www.exoten-tieraerzte.de),
Die Ursache liegt in der Lebenswei- es gibt auch Männchen, die von Weib- die sich besonders auf Reptilien
se von Bartagamen: Es sind in der Na- chen unterdrückt werden. und Zierfische spezialisiert hat.
tur Einzeltiere. Dementsprechend ha-
ben sie auch nie wie etwa Hund und
Mensch im Laufe der Entwicklung der Kommt es zu offenen Aggressionen,
Art ein Sozialverhalten entwickeln müs- muss sehr genau abgewogen werden,
sen. Dies geschieht auch nicht auf die ob man abwarten kann oder einschrei-
Schnelle im Terrarium durch Lernen, ten muss. Beißereien führen nicht sel-
sondern nur im Laufe der Evolution. ten zu Verstümmelungen, die ein Tier
Leben nun mehrere Tiere auf engs- den Rest seines Lebens beeinträchti-
tem Raum zusammen, so geraten sie gen. Es liegt in der Verantwortung des
in eine Situation, die so in der Natur Halters, für das Wohlergehen seiner
gar nicht vorkommt. Egal wie groß und Schützlinge zu sorgen.
strukturiert das Terrarium ist, die Bart- Ist die Situation soweit fortgeschrit-
agamen müssen miteinander leben ten wie bei „Lisa“ und „Speedy“ hilft nur
und können sich nicht endgültig aus die endgültige Trennung der beiden Tie-
dem Weg gehen. Für das stärkere Tier re – und zwar so, dass sie sich auch
ist das kein Problem, das schwächere Eine aufmerksame und gesunde nicht mehr sehen, weil selbst der An-
ist dauerhaftem Stress ausgesetzt. Bartagame. blick durch eine Glasscheibe als Be-
Drohgesten, um den Partner in die drohung empfunden wird. Häufig leben
Schranken zu weisen, sind meist nur Um das Problem frühzeitig zu erken- die Opfer binnen Stunden deutlich auf
am Anfang zu beobachten, weil die nen, ist entscheidend, dass der Halter und holen das Entwicklungsdefizit in-
schwächere Bartagame aggressive Si- seine Echsen gut beobachtet, beson- nerhalb kurzer Zeit teils wieder auf.
tuationen meidet. Sie wird immer pas- ders das Verhalten der Tiere unterein- Wenn sich Reptilien, die meist Ein-
siver, versteckt sich, kommt nur noch ander, die Futteraufnahme der einzel- zelgänger sind, gut verstehen, ist das
zum Fressen, wenn es gar nicht mehr nen Individuen und deren Entwicklung. sicher eine deutliche Bereicherung.
Werden Tiere aber unterdrückt, geht
Foto: S. Öfner Foto: S. Öfner Gut funktionierende das nicht: Tag und Nacht in einer stän-
digen Bedrohung zu leben, ohne ihr je
Gruppe von
Leopardgeckos.
entgehen zu können, wäre auch für
uns Menschen ein Albtraum, oder?
Es bleibt anzumerken, dass inner-
artliche Aggressionen nicht nur bei
Bartagamen vorkommen, sondern auch
bei anderen gängigen Echsenarten wie
etwa Leopardgeckos und Grünen Legu-
anen.
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