Page 69 - diy Fachmagazin Ausgabe Sonderheft 08/2022
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heute auf morgen weitestgehend lokale Produktionen immer dort,
zu Nichte. Produktionen in der Uk- wo sich Innovationen (zum Bei-
raine fallen komplett aus. Liefer- spiel CO -neutrale Stahlproduktion,
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ketten durch Euroasien, zu Wasser, Kunststoffrecyclingwirtschaft)
auf der Straße und in der Luft sind in Deutschland und Europa für
plötzlich abgebrochen. Als weitere klimafreundliche Produkte von
Folge wird die nationale Abhängig- morgen entwickeln. Auch die Di-
keit im Energiebereich sicht- und gitalisierung und Automatisierung
spürbar. Zukünftig werden auch der Produktion können Kosten- und
hier die steigenden Kosten, bei der Zeitersparnisse mit sich bringen.
energieintensiven Rohstofferzeu- Wäre „Made in Germany“ oder
gung über den Verarbeiter bis zum „Made in Europe“ also die Lösung
Transporteur, zu einer massiven vieler Probleme? Schon mit Blick
Waren zunehmend verspätet beim Kostensteigerung für DIY-Produkte auf die Heterogenität der Hersteller
Einzelhandel an. Eine verzögerte führen. im DIY-Markt verbietet sich eine
Lieferung der Produkte ist aber für Waren es Kostengründe, die pauschale Antwort. Viele Produkte
den Hersteller mit empfindlichen in den 90er-Jahren für eine Pro- werden bereits lokal produziert
Vertragsstrafen und somit mit duktionsverlegung nach China oder komplett in Europa beschafft.
erheblichen Kosten verbunden. sprachen, wäre es angesichts der Nach wie vor bietet aber die Nut-
Fertigwaren, Vormaterialien, Kom- heutigen Herausforderung nahelie- zung der Globalisierung in vielen
ponenten und Rohstoffe sind heute gend, die Produktion wieder in die Sortimentsbereichen einen ent-
in einem vernetzten Weltmarkt heimischen Gefilde oder zumindest scheidenden Wettbewerbsvorteil
kostenoptimal zu beschaffen, die nach Europa zu verlegen. Lange durch ein breites Güterangebot, in-
Engpässe und Verzögerungen im Lieferwege könnten so um-
Weltmarkt sind aber seit Corona gangen und Beschaffungs-
nicht mehr beherrschbar. Solche verzögerungen vermindert
Vertragsstrafen verteuern am Ende werden. Auch die Frage der
die Produkte für den privaten End- Einhaltung von Menschen- Die weltweiten Lieferketten sind
verbraucher unnötig. Der Auf- und rechten würde sich durch ,aus dem Takt’ gekommen und
Ausbau der Warenbestände und geltende Regeln innerhalb auf absehbare Zeit nicht mehr
ein permanentes Monitoring der Europas nicht mehr in belastbar.
nationalen und internationalen Zu- diesem Ausmaß stellen.
liefererstruktur sind zielführende Eine solche Verlagerung
Maßnahmen der Industrie. der Produktion kann aber
Die geopolitischen Turbu- nur dort ausreichend Vorteile ge- ternationalen Handel, mobile Güter
lenzen durch den Krieg in der nerieren, wo die für die Produktion und günstigere Lohnstückkosten.
Ukraine steigern die Herausfor- notwendigen Rohstoffe und Kom- Gerade die weltweite Beschaffung
derungen auch für die heimische ponenten nicht wiederum nahezu und Fernost-Produktion hat erst
Wirtschaft zusätzlich. Ein Angriffs- gänzlich aus Übersee importiert viele preisgünstige DIY-Produkte
krieg in Europa, der zuallererst werden müssen. Zum Beispiel in für private Verbraucher möglich
aus humanitärer Sicht eine Kata- der Elektro- und Elektronikbranche gemacht. Die Entwicklung seit
strophe ist, hat auch weitreichende und den Produktions- und Vor- dem Coronajahr 2020 und der
Auswirkungen auf die Hersteller- produktionskapazitäten für LED Krieg in Europa führen in der nun
unternehmen in Deutschland und und Lichtkomponenten gibt es aufkommenden Zeit einer nachhal-
Europa. Die Wirtschaftssanktionen absehbar keine Alternative in tigen Wertschöpfung in der Tat zu
machen die Produktion und den Europa. Doch bieten sich gerade einer schnelleren Anpassung an
Handel in und mit Russland von jetzt auch vermehrt Chancen für das neue Risikoprofil der Zukunft.
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