Page 40 - diy Fachmagazin Ausgabe 07/2022
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Einführung





           Zurück in heimische Gefilde?






           Ist das Herkunftsland eines Produktes noch relevant? Zumindest                    Ländern geändert: Das wirt-
           für deutsche Waren scheint es das zu sein, denn „made in                          schaftliche Wachstum – auch
                                                                                             geschaffen durch angesiedelte
           Germany“ könnte einen zweiten Frühling erleben.                                   Offshore-Produktionsstandorte

                                                                                             – hat unweigerlich das Lohn-
           Seit dem späten 19. Jahrhun-  den – solange die Endmontage   denn die vergangenen Jahre ha-  niveau erhöht, längst ist die
           dert, als die Bezeichnung „made   in Deutschland stattgefunden   ben große Probleme der global   Produktion nicht mehr spott-
           in Germany“ noch ein Warnsig-  hat. Diese Kritik beruht auf der   ausgeweiteten Produktion aufge-  billig. Dazu explodieren derzeit
           nal der Briten auf schlechter Im-  Tatsache, dass das Offshoring   zeigt: Neben bereits bekannten   Transportkosten unter anderem
           port-Ware war, ist viel passiert.   – also die Verlagerung der Pro-  Schwierigkeiten, wie Qualitäts-  durch die weltweit gestiegenen
           Für viele Verbraucher steht das   duktion in Schwellen- oder Nied-  abweichungen und kulturellen   Spritpreise, Schiff und Schiene
           Siegel  nach  wie  vor  für  Qua-  riglohnländer, weg von heimi-  Unterschieden sowie sprachli-  erweisen sich nach wie vor als
           lität,  auch wenn es aufgrund   schen Gefilden – besonders in   chen Barrieren, brachen Liefer-  sehr zeitintensive Alternativen.
           schwammiger Regelungen in der   den 1990er-Jahren seine Blü-  ketten aufgrund der Blockade   All dies befeuert nun einen neuen
           jüngsten Zeit nicht immer ganz   tezeit hatte. Doch der Trend da-  des Suez-Kanals oder gesperr-  Trend: Reshoring. Also zurück in
           ohne Kritik war.           hin flachte schon um die Nuller-  ter Häfen in China während der   die Heimat, zurück zu vertrau-
              Und diese Kritik ist sicher-  Jahre herum ab, namhafte deut-  Corona-Pandemie teils völlig in   ten Qualitätsstandards in Pro-
           lich nicht völlig unbegründet,   sche Hersteller wie Stihl holten   sich zusammen. Der russische   duktion und Ausbildung. Am 10.
           wenn man bedenkt, dass das   ihre Produktionskapazitäten   Angriffskrieg in der Ukraine be-  Februar 2022 berichtete bereits
           vermeintliche  Qualitätssiegel   nach teils kurzer Verweildauer   feuert diese Probleme derzeit   der mdr zum Thema und zitiert
           doch auch für Waren genutzt   im asiatischen Raum wieder   noch weiter.           dabei die Ökonomin Dalia Marin,
           werden konnte, die zum größten   zurück nach Deutschland. Da-  Zusätzlich dazu hat sich   Professorin an der TUM School
           Teil im Ausland produziert wur-  mit waren sie ihrer Zeit voraus,   die Situation in den Offshore-  of Management der TU München.
                                                                                             Diese stellte fest, dass rund 19
                                                                                             Prozent der Industrieunterneh-
                                                         Gehören voll beladene Containerschiffe
                                                         bald der Vergangenheit an? Unternehmen   men planen nach Deutschland
                                                         verlagern ihre Produktion zunehmend   zurückzuverlegen.  12  Prozent
                                                         zurück in die Heimatländer.         davon würden jedoch lediglich
                                                                                             zu einem deutschen Zulieferer
                                                                                             wechseln, die verbleibenden sie-
                                                                                             ben Prozent wollen auch wieder
                                                                                             am Standort Deutschland produ-
                                                                                             zieren.
                                                                                               Ermöglicht wird diese Renati-
                                                                                             onalisierung insbesondere durch
                                                                                             den technologischen Fortschritt.
                                                                                             Immer mehr Arbeiten können von
                                                                                             Robotern erledigt werden, das
                                                                                             senkt Personal- und Produkti-
                                                                                             onskosten. Lieferkettenausfälle
                                                                                             bei Just-in-time-Produktionen
                                                                                             können vermieden werden, da-
                                                                                             durch ergeben sich auch gerin-
                                                                                             gere Lagerhaltungskosten – so
                                                                                             rechnet sich die Produktion im

                                                                                                              diy 7|2022




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