Page 12 - diy Fachmagazin Ausgabe 6/2020
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Titel Interview
Das Hohelied der
Zusammenarbeit
Welche Erfahrungen haben die Branchenverbände mit Corona
gemacht? Ein Gespräch mit den drei Geschäftsführern Anna Wie sehr hat sich Ihre Haltung
gegenüber Corona im Laufe
Hackstein (IVG), Ralf Rahmede (HHG) und Dr. Peter Wüst (BHB). der Zeit gewandelt?
Frau Hackstein, Herr Rahmede, hierzu von Wettbewerbern ange- Hackstein: Mir ist noch sehr Wüst: Zu Beginn hat es gedauert,
Herr Dr. Wüst: Können Sie das stachelt wurden. Diese sehr vola- bewusst, dass die Ereignisse bis ich die Tragweite und die Ge-
Wort „Corona“ überhaupt noch tile Öffnung bzw. Schließung von und Entwicklungen rund um fahr für die Gesundheit wirklich
hören? Bau- und Gartenfachmärkten hat Corona mich, den Verband und verinnerlicht hatte. Dann war ich
ständig neue Lagen verursacht die Branche in den ersten Tagen beeindruckt von der Fähigkeit un-
Anna Hackstein: Die Pandemie und neue Ansprechpartner mit der Krise vor riesige Herausfor- serer Politiker, unter hoher Unsi-
und ihre Folgen sind das be- sich gebracht – es war und bleibt derungen gestellt haben. Wir cherheit fulminante Entscheidun-
stimmende Thema dieser Tage, also spannend. mussten uns täglich veränder- gen zu treffen. Heute bin ich er-
da geht es mir sicherlich nicht ten Situationen anpassen und schrocken von dem Anspruchs-
anders als allen anderen Bran- Ist Ihnen noch bewusst, wann unsere Entscheidungen neu be- denken der Menschen und Unter-
chenteilnehmern. Der Umgang Sie von Corona/Covid-19 zum werten. Als die ersten Fälle in nehmen, dass der Staat schon
damit und die Auswirkungen auf ersten Mal gehört haben und China bekannt wurden und sich alles richten werde. Nun sollten
unseren Markt werden uns noch wie war da Ihre Einschätzung? das Virus immer mehr ausbrei- wir die virologische Führung zü-
viele Monate begleiten. Da bleibt tete, hat wahrscheinlich kaum gig erweitern um ökonomische
eigentlich keine Zeit, sich Gedan- Wüst: Wir waren durch die Eisen- jemand wirklich absehen kön- und soziale Dimensionen als
ken zu machen, ob man es noch warenmesse und unsere Veran- nen, wie sich das innerhalb kür- weitere Zieldimensionen.
hören kann: Corona ist da und staltungen bis hin zur Jahrespres- zester Zeit auch auf unser Land
wir müssen damit umgehen. sekonferenz sehr früh mit den Aus- auswirken würde. Deshalb kann Rahmede: Da gibt es wie oft im
wirkungen und der Unsicherheit ich mit Sicherheit sagen, dass Leben zwei Seiten der Medaille,
Ralf Rahmede: Man gewöhnt der Entwicklung konfrontiert. Des- meine Einschätzung im Dezem- die medizinische, wo man Ge-
sich ja an Vieles, aber ich kann halb haben wir die Lage mit unse- ber und Januar eine komplett sundheit und Leben betrachtet,
mich nicht erinnern, dass ein ren Handelspartnern auch sehr andere war als die Wirklichkeit, und die wirtschaftliche, die man
Wort jemals so dominant und früh diskutiert und die Brisanz der die sich im März hierzulande halt geübt ist, mit Zahlen zu be-
präsent war wie Corona. Herausforderung schnell einmütig einstellte. werten. Ich finde es hervorra-
beurteilt. Allerdings hatte sich zu gend, mit welcher Priorität wir
Dr. Peter Wüst: Natürlich tritt, Beginn niemand einen Shutdown Rahmede: Nein, an den genauen hier in Deutschland die Gesund-
wie wohl bei jedem Menschen, in Deutschland wirklich vorstellen Zeitpunkt kann ich mich nicht heit und das Leben ganz klar in
ein gewisser medialer Sätti- können. Angesichts des dann not- erinnern. Anfangs habe ich tat- den Vordergrund stellen. Die wirt-
gungseffekt ein. Kritischer ist wendigen politischen Agierens hat sächlich gedacht „Ok, wieder schaftlichen Folgen sind zwar
für mich der Begriff „Föderalis- uns der enge und effektive Kontakt eine neue Form von Grippe- von enormem Ausmaß, aber da-
mus“ vor dem Hintergrund der besonders auf der Vorstandse- virus, die kommen und gehen“, von werden wir uns schon erho-
Erfahrungen der letzten Wo- bene der ersten Phase dieser Krise aber sehr schnell wurde mir klar, len, obwohl es sicherlich lange
chen. Es war und ist für Handel, sehr geholfen. In der zweiten Pha- dass wir es hier mit etwas Ande- dauern wird. Im Vergleich zu den
Logistik und Lieferanten nicht sen haben die täglichen Austäu- rem zu tun haben. Ich wurde am meisten anderen Ländern kön-
leicht, wenn beispielsweise auf sche mit allen Branchenhändlern Anfang dann oft für meine weit- nen wir die wirtschaftlichen Fol-
Dorfebene Bürgermeister Markt- die Lage für alle Manager leichter reichenden Risikoeinschätzun- gen besser verkraften und sind
schließungen anordnen, weil sie einschätzbar werden lassen. gen belächelt. bei Gesundheit und Leben deut-
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