Page 50 - terraristik Ausgabe 3/2015
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n REPORTAGE
Begleiter. Doch der winkt ab: „Wir sind da. Hier sollen sie
leben, die Kröten.“
Unscheinbar schmiegt sich der kleine Teich in die Land-
schaft. Mir allein wäre er nicht aufgefallen. Das Wasser des
Teichs ist eiskalt und glasklar, zunächst entdecke ich nur
Kaulquappen. Wir versuchen, uns nicht zu bewegen. Nicht
lange, da ertönt ein erstes zaghaftes „Ping, Ping, Ping“ –
man könnte es für das Klingen einer hellen Glocke halten.
Aus verschiedenen Richtungen kommen nach kurzer Zeit
Antwortrufe. Doch zu sehen bekommen wir die Kröten zu-
nächst nicht. Ich setze mich an den Rand und suche die
Wasseroberfläche erneut ab. Da entdecke ich sie: Regungs- Die Kaulquappen der Geburtshelferkröte weiden in den Bächen Algen
und Aufwuchs ab.
los sitzt eine Geburtshelferkröte im flachen Wasser. Ihre
Tarnung ist perfekt. Vermutlich hat sie uns schon seit gerau- Fressfeind gewinnt sie bald wieder ihre ursprüngliche Form
mer Zeit beobachtet. zurück.
Weitere Feinde der Kröten sind der Iberische Wasser-
Gefährdete Lurche frosch (Pelophylax perezi) und der Marder. Doch schlimmer
noch ist die generelle Wasserknappheit: Mallorca kämpft je-
Die Mallorca-Geburtshelferkröte ist eine endemische, nur auf des Jahr mit Wasserproblemen, künstlich angelegte Stau-
dieser Balearen-Insel vorkommende Art. Sie gilt derzeit als dämme und die Klimaveränderung machen den Amphibien
die seltenste Amphibienart Europas, ist vom Aussterben be- zu schaffen. Damit nicht genug, eine neue Bedrohung be-
droht (geschätzte 450 bis 1.000 Exemplare) und steht dem- steht nun durch den weltweit grassierenden Chytridpilz (Ba-
entsprechend auf der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN. trachochytrium dendrobatidis). Die von ihm verursachte
Man nimmt heute an, dass schon die Römer der Art nahe- Krankheit Chytridiomykose gilt als eine der Hauptursachen
zu den Garaus gemacht haben, denn sie brachten vor 2.000 des globalen Amphibiensterbens.
Jahren den größten Feind dieser Amphibien, die Vipernatter Biologen haben mithilfe ehrgeiziger Nachzucht- und Wie-
(Natrix maura), auf die Insel. Die Schlangen galten den Rö- deransiedlungsprogramme in der Vergangenheit alles daran
mern als Symbol der Fruchtbarkeit und wurden in den Bade- gesetzt, auch die Geburtshelferkröten auf Mallorca zu erhal-
häusern der Frauen ausgesetzt. Nach und nach breiteten ten. Im Jahr 2004 glaubte man schon, ihren Bestand lang-
sich entflohene Vipernattern auf der Insel aus, wo sie offen- fristig gerettet zu haben, da geschah das Unfassbare: Der
bar keine natürlichen Feinde hatten. Pilz wurde erstmals auch auf Mallorca nachgewiesen. Und
Eine Bedrohung sind die wasserlebenden Schlangen noch die Ironie der Geschichte war, dass der eingeschleppte Pilz
immer für die Kröten, doch zumindest ihre Larven haben ei- offenbar aus dem Labor kam, direkt aus den Aquarien der
ne erstaunliche Gegenstrategie entwickelt, wie britische Bio- mit der Wiederansiedlung befassten Institute! So besteht
logen beschrieben haben: Nähert sich eine Natter, so soll derzeit ein großes Dilemma, denn die in Gefangenschaft
die Kaulquappe ihre Gestalt verändern und sich blitzschnell nachgezüchteten Kröten können eigentlich nicht ausgesetzt
– in Grenzen natürlich – „verformen“ können; sie wird werden, um die wild lebenden Tiere nicht noch stärker durch
schlanker und wendiger. Nach geglückter Flucht vor ihrem ein mögliches Einschleppen des Chytridpilzes zu gefährden.n
Porträt der häufigsten Schlangenart auf Mallorca: Kapuzennatter Ein großer Feind der Kröten ist auch der Iberische Wasserfrosch
(Macroprotodon cucullatus). ( Pelophylax perezi).
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