Page 71 - terraristik Ausgabe 1/2013
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aratum ist sehr produktiv und jedes Weibchen legt im Laufe
seines Lebens mehrere Hundert Eier ab. Weibchen können
sich bei Mangel an Männchen auch über viele Generationen
durch Jungfernzeugung fortpflanzen. Dabei schlüpfen aus
den unbefruchteten Eiern ausschließlich wieder Weibchen
In manchen Ratgebern zur Pflege von Gespenstschrecken
wird empfohlen, die Eier abzusammeln und in separaten Be-
hältern zu zeitigen. Dies ist nach meiner ca. 16 Jahre wäh-
renden Züchtererfahrung der Art überflüssig. Eier und auch
Direkt nach dem später daraus schlüpfende Jungtiere belässt man einfach in
Schlupf ähneln die dem gleichen Terrarium wie die Elterntiere. Bei der Eiablage
Jungtiere der Aus-
tralischen Gespenst- erschließt sich dem Beobachter der Sinn des eingerollt ge-
schrecke einer wehr- tragenen Hinterleibs: mit einer schnellen Streckbewegung
haften Ameisengat-
tung aus Australien. werden die Eier weit weg geschleudert.
Das Wachstum
Etwa sechs Monate nach Ablage schlüpfen die Eier. Dann
wird eine weitere Besonderheit der Australischen Gespenst-
schrecke deutlich: Die frischgeschlüpften Jungtiere laufen
flink umher, wodurch sie sich in der Natur weiter verbreiten
wollen, und sehen noch gar nicht wie die späteren Tiere aus.
Das erste Stadium ist nahezu schwarz gefärbt und stellt ei-
nen roten Kopf zur Schau, eine sogenannte falsche Warn-
tracht. Extatosoma tiaratum ahmt damit die sehr wehrhafte
Ameisengattung Leptomyrmex nach.
Nach vier bis sechs Monaten und sechs Häutungen bei
den Männchen und sieben Häutungen bei den Weibchen
sind die Tiere erwachsen. Die Weibchen leben nun noch bis
zu einem Jahr, während die Männchen meist nach maximal
drei Monaten wieder das Zeitliche segnen. Sind nur erwach-
sene Tiere im Terrarium, kann die Luftfeuchtigkeit recht
niedrig gehalten werden. Sobald aber Eier schlüpfen und die
Ein Jungtier beim Fressen eines Brombeerblattes. Die Mundwerk-
zeuge sind so ausgebildet, dass sie am effektivsten die Blätter von Jungtiere sich für ihr Wachstum häuten müssen, erhöht man
der Seite zerkleinern können.
die Luftfeuchtigkeit durch regelmäßiges Sprühen und even-
tuelles Gießen des Bodengrundes auf ca. 70 % relative Luft-
Ein Gemisch aus Blumenerde und feinkörnigem Sand hat sich feuchte.
gut bewährt. Der Bodengrund muss Feuchtigkeit möglichst Generell sollte man sich bei der Pflege der Australischen
lange halten und gewährleistet eine erfolgreiche Zeitigung der Gespenstschrecken immer mehr in Richtung Trockenheit als
abgeworfenen Eier. Selbstverständlich ist auch eine Rück- Feuchtigkeit bewegen. Eine zu große Feuchtigkeit, auch nur
wand aus einem natürlichen Material wie Kork sehr vorteil- über kurze Zeiträume, wird von den Tieren schlechter vertra-
haft. Ebenso sind Pflanzen, die auch etwa aus dem gleichen gen als ein paar Tage vollkommene Trockenheit.
Verbreitungsgebiet wie die Tiere kommen, eine schöne Sache. Einige Tage nach dem Schlupf werden die Babys ruhiger
Zwei überall als Zimmerpflanze erhältliche Arten, auf die die- und färben sich zeitgleich um. Nun gleichen sie ihr Verhalten
se Beschreibung passt, sind die Efeutute Epipremnum aure- an das der größeren Tiere an und verharren tagsüber die
um und die Birkenfeige Ficus benjamina. meiste Zeit „unsichtbar“ mit der Rückenseite nach unten
hängend an der Unterseite von Blättern oder Zweigen. Erst
Die Vermehrung im Schutz der Dunkelheit beginnen sie zu fressen und lau-
fen wieder im Terrarium umher. Der Temperaturbereich kann
Erwachsene Weibchen beginnen wenige Wochen nach ih- sich ab 20 °Celsius bis hinauf zu 28 °Celsius am Tag bewe-
rer letzten Häutung mit der Ablage ihrer Eier. Extatosoma ti- gen. In der Nacht ist eine leichte Absenkung sinnvoll.
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