Page 3 - diy-Fachmagazin Ausgabe 10/2021
P. 3
Kommentar
Back to EU?
Corona, Dürre, Schneechaos, Überschwemmun- nahmen von Produktion nach Deutschland und
gen, Transportunglücke, Frachtkostenexplosion, Europa an.
Fahrermangel – die Liste, die die Probleme zur Doch die Folgen dieser Neupositionierung tref-
Aufrechterhaltung der Lieferketten beschreiben fen nicht nur China. Weber-Stephen macht vor,
können, ist lang. Was sich schon in den vergan- dass auch ur-amerikanische Unternehmen neue
genen fünf Jahren mit einer (noch) dezenten Fabriken in Europa errichten. Grund ist hier neben
Neuausrichtung vieler Hersteller, was all den oben genannten Gründen
die Regionalität ihrer Produktions- auch die Nähe zu einem profitablen
kapazitäten betraf, abgezeichnet hat, Absatzmarkt und die Unsicherheit
verstärkt sich seit 2020 signifikant: darüber, ob nationale Regierungen
Man plant verstärkt, einen Teil der zukünftig eine stärkere protektionis-
Produktion wieder näher an den eu- tische Haltung einnehmen und ob
ropäischen Absatzmarkt zu bringen. der Welthandel so liberal bleibt, wie
China ist beileibe nicht mehr der wir es in den vergangenen 70 Jah-
glückselig machende Hort für deut- ren gewöhnt waren. Hinzu kommt
sche und europäische Produzenten. eine kritischere Haltung gegenüber
Man sucht verstärkt nach Alter- den Folgen durch die sogenannte
nativstandorten in Asien, in Afrika und auch „Globalisierung“. So konstatiert auch Sebastian
in Europa, gerade und auch in der EU. Und die Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts
(Rück-) Verlagerungspläne treffen nicht nur die für Makroökonomie und Konjunkturforschen der
Halbleiterindustrie, sondern auch große Teile der Hans-Böckler-Stiftung: „Die Coronakrise ist auch
Auto-, Elektro-, Metall- und chemischen Indus- eine Krise der Globalisierung. Die Sicherung von
trie. Die Containerkosten haben sich inzwischen Lieferketten und die Produktion im Inland werden
fast verzehnfacht. „Hochgerechnet lohnt sich die künftig eine größere Rolle spielen. Notwendig ist
Produktion im nicht-europäischen Ausland dann eine deutlich aktivere Industriepolitik.“
einfach nicht mehr, wenn der Transport letztlich
genauso viel kostet wie die Löhne in Europa“,
wird Dalia Marin, Professorin für internationale Herzlichst Ihr
Wirtschaft an der TU München, in einem Beitrag
des Deutschlandfunks zitiert.
Mit der Feststellung, „In Zukunft wird es mehr
Klimakatastrophen geben und dann werden die Dr. Joachim Bengelsdorf
Transportwege vielleicht verschlossen, wie beim
Suez-Kanal, oder die Schienennetze werden ge-
stört sein“, führt Dalia Marin auch den Klimawan- Tel.: +49/7243/575-208 • j.bengelsdorf@daehne.de
del als Grund für mögliche Rückholungsmaß-
diy 10|2021 3
DIY2021-10_Buch.indb 3 15.09.2021 12:00:09