Page 59 - Aquaristik Ausgabe 5/2024
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JENS                                         DER DIGITAL-HISTORIKER
               CRUEGER


               ALS AQUARIANER


               SURFEN LERNTEN




               Rückblick auf die Geschichte der Aquaristik im Internet




               „Save a Life“ – Protest im frühen Aquaristik-Web
               Proteste sind besondere gesellschaftliche Ereignisse. Dem


               lateinischen Ursprung nach bedeutet protestieren „öffentlich

               bezeugen“ – also eine Meinung oder eine politische Position


               wahrnehmbar kundtun. Von der klassischen Demonstration mit
               Plakaten über die wütenden Leserbriefe an Zeitungen bis zu

               Petitionslisten mit unzähligen Unterschriften war das Spektrum


               verschiedener Protestformen bereits vor Zeiten des Internets


               groß. Durch das World Wide Web öffnete sich ein neuer Raum
               für Proteste und auch im Aquaristik-Web regte sich schon
               bald der Protest. Ein Beispiel dafür war die Aktion „Save A Life   Die Protestwebsite im Jahr 1999.


               – Boycott AquaBabies“, die vor allem im englischsprachigen

               Aquaristik-Web Wellen schlug, aber auch auf einigen deutschen   www.daehne-aquaristik.de/aq-5-24

               Vivaristik-Websites verlinkt wurde.

               Worum ging es konkret? Eine Firma aus dem US-Bundesstaat Kalifornien verkaufte seit den 1990er-Jahren über Drogerien,


               Supermärkte und den Spielzeughandel in großem Stil die sogenannten „AquaBabies“. Dabei handelte es sich um 10-cm-Würfel


               aus Acrylglas, die also gerade einmal einen Liter Fassungsvermögen hatten. Diese Würfel wurden im Komplettset mit Boden-


               grund, Steinen, Wasserpflanzen und Fischen, Zwergkrallenfröschen oder Krabben verkauft. Auf einen Filter, so wurde es auf
               der Website des Herstellers beworben, könne man bei diesen Becken verzichten.

               Ein solches „Aquarium“, egal ob mit Krabben, Fischen oder Fröschen als Bewohnern, ist aus deutscher Perspektive nach
               dem Tierschutzgesetz verboten – und im Sinne des Tierwohls auch schlicht ein No-Go. In den USA hingegen waren und sind
                                                                    das Verständnis von Tierwohl wie auch der gesetzliche Tier-
                                                                    schutz auf einem anderen Level, weshalb unter einer neuen
                                                                    Webadresse noch heute „AquaBabies“ für die USA im Web
                                                                    angeboten werden.
                                                                    Der Protest, der sich in den 1990er-Jahren im Web formierte,
                                                                    hat aber dennoch etwas bewirkt. Mit einer Online-Petitions-



                                                                    liste und einer Protestbrief-Aktion an die Händler und Han-
                                                                    delsketten, die die „AquaBabies“ in ihrem Sortiment führten,




                                                                    wurde der Protest laut artikuliert. Die Kritik an dieser Form
                                                                    der Tierhaltung überzeugte schließlich eine ganze Reihe von


                                                                    Geschäften und Ketten, das Produkt aus ihrem Sortiment zu

               Die Websites der „AquaBabies“ im Jahr 1998.
                                                                    nehmen.

                  www.daehne-aquaristik.de/aq-5-24
   _AQ2024-05_Buch.indb   59                                                                                     18.07.2024   11:10:29
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