Page 51 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 05/2022
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Es  müssen  furchtbare  Szenen  gewesen  sein.  Drei
           Schnorchler aus Deutschland, ein älterer Mann mit
           seiner Frau sowie ein weiterer Mann im besten

           Alter, schwammen an der Oberfläche in Richtung
           eines markanten Felsens, als hinter diesem ein

           großes Nilkrokodil hervorkam, ins Wasser glitt
           und auf die Dreiergruppe zuhielt.
              Die  Einheimischen  am  Ufer  riefen  und
           schrien, um die Gruppe zu warnen. Doch wenn     1
           sich wie beim Schnorcheln üblich Kopf und Ohren

           unter Wasser befinden, hört und sieht man nichts
           von über Wasser. Kurz vor der Gruppe tauchte das

           Krokodil ab. Als es wieder an der Oberfläche zu sehen

           war, hatte es Kopf und Oberkörper des jüngeren, vorne

           schwimmenden Mannes zwischen seinen mächtigen
           Kiefern. Dann verschwand es mit seiner Beute unter
           Wasser. Das ältere Paar rettete sich auf einen nahegele-  2


           genen kleinen Fels und wartete dort, völlig verängstigt,
           bis es nach einiger Zeit per Boot abgeholt wurde.


           Berühmt-berüchtigt in Tansania
           Wir,  das  heißt,  mein  einheimischer  Tauchpartner
           Mattayo Jackson, Koch Juma, Helfer Bernard und ich,

           waren im Oktober 1993 von Süden kommend mit un-

           serem kleinen Boot in Liuli eingetroffen. Liuli ist ne-
           ben Mbamba Bay und Manda eine von drei größeren

           Ortschaften an der etwa 300 km langen tansanischen

           Nordostküste des Malawisees. Wegen seiner tief ein-

           geschnittenen, vor Wind und Wellen geschützten Bucht
           stellt Liuli einen perfekten Naturhafen dar. Im damali-  3
           gen Deutsch-Ostafrika war die kaiserliche Marine genau

           darum dort stationiert.

              Am  südlichen  Rand  der  Bucht  befindet  sich  ein
           großer  Fels,  der  die  Form  einer  Sphinx  hat,  jenem
           Fabelwesen aus Ägypten. Sphinxhaven hieß der Ort
           seinerzeit unter deutscher Verwaltung. Es überrascht
           nicht, dass die Einheimischen einen eigenen Namen
           für den ungewöhnlichen Felsen haben: Pomonda Rock.

              Berühmt-berüchtigt war bis Anfang der 1990er-Jahre
           ein sehr großes Krokodil. Mindestens vier, wenn nicht
           sogar fünf Meter lang soll es gewesen sein. Diese Echse
           hatte ihr Revier – auch das war hinreichend bekannt

           – bei Pomonda Rock. Völlig unverständlich, wieso die
           Schnorchlergruppe direkt auf genau diesen Fels zuge-
           schwommen war.                                   1   In Afrika weitverbreitet: Nilkrokodil – hier auf einer Krokodilfarm.
              Nachdem das Krokodil mit seiner Beute verschwun-  2   Bernhard mit unserem Abendessen, einem kapitalen Rhampho-
           den war, fuhren Einheimische mit ihren Booten los,   chromis sp. Unser Bootsjunge gab vor, 19 Jahre alt zu sein.
           um den Leichnam zu bergen. Sie mussten nicht lange   3   Nördlich von Liuli liegt Tumbi Reef. Hier konnten wir große Gruppen
           suchen: Die Panzerechse hatte den toten Körper bei   von Tropheops-Arten beobachten.





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