Page 75 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 03/2021
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dem Wasserstand schnell flussabwärts fahren muss,
           um das Boot nicht auf Grund laufen zu lassen.

           „WAIT A WhIle“
           Als wir nach einigen Stunden mit allen gesuchten Fi-
           schen zurückkehrten, war das Boot weg! In der Mitte
           von  Nirgendwo,  in  der  Gesellschaft  von  kapitalen
           Salzwasserkrokodilen, etwa 100 km von der nächsten
           Siedlung entfernt. Kein Satellitentelefon, keine Kommu-
           nikationsmöglichkeit. Vor allem aber: keine richtigen
           Schuhe und keine langen Hosen!
              Also losmarschieren, flussabwärts. Das war um die
           Mittagszeit. Durch den Busch zu kommen, ist unglaub-
           lich anstrengend. Jeden Schritt muss man freihacken.
           Alle Pflanzen haben Dornen und andere Fortsätze, mit   1
           denen sie stechen, reißen und kratzen.
              Besonders  nett:  die  „Advocats  plant“  (Anwalts-    1 Meistens sind einheimische Helfer dabei.
           pflanze), auch „Wait a while“ genannt, die einen fest-
           hält und nicht mehr loslassen will. Das ist eine Palme,   2 Den „Leech Contest“ gewinnt derjenige mit den
           deren Wedel lange, peitschenartige Fortsätze voller         meisten Landblutegeln.
           Widerhaken hat.                                           3 Wer einen Chilatherina alleni „Wapoga River“ im
                                                                       Aquarium sieht: Diese Tiere stammen alle von
            VöllIG dehydRIeRT                                          unserer Tour ab.
           Die Moskitos (die problemlos durch ein T-Shirt durch-
           stechen  können)  hatten  ebenfalls  Hochkonjunktur.   2
           Nach sechs Stunden durch den Urwald zeigte unsere
           dünne  weiße  Haut  an  den  Beinen  im  Gegensatz  zu
           unseren einheimischen Begleitern deutliche Spuren
           von Überbeanspruchung. Wir überlegten schon, wie
           wir behelfsweise übernachten sollten, da fanden wir
           das Boot wartend am Ufer liegen.
              Der Bootsführer hatte auch eine harte Zeit gehabt:
           An den Stellen, an denen wir tags zuvor über im Was-
           ser liegende Bäume hinübergefahren waren, musste
           er zusammen mit seinem Motoristen das Boot drüber-
           schieben! Völlig erschöpft und dehydriert (hatte ich
           erwähnt, dass wir kein Wasser mithatten?) sackten
           wir im Boot zusammen und waren für die nächste
           Zeit erstmal bedient.                           3
              Wer also Chilatherina alleni „Wapoga River“
           oder Melanotaenia rubrivittata sieht: Alle Tiere in
           der Aquaristik stammen von diesen Tieren ab. Die
           infizierten Wunden an unseren Beinen brauchten
           Wochen, um abzuheilen. Übrigens, in den sechs Stun-
           den hatten wir nur rund 3,5 Kilometer zurückgelegt.
              Und warum das alles? Wegen der einzigartigen Fi-
           sche, den unglaublichen Eindrücken, den Begegnungen
           mit anderen Kulturen und einer völlig anderen Welt!   Text & Fotos: Johannes Graf







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