Page 53 - Caridina Ausgabe 4/2017
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einen Abschnitt der mitochondrialen DNA untersucht (genau:            Eine  Folie aus  Raupachs  Vortrag  mit  empfohlener  Literatur
das Barcode-Fragment CO1).                                            zum   Thema.

   Raupach führte einige durchschnittliche Preise für die Tiere       versteckten sich unter den Verkaufsangaben C. chappalanus, C. di-
auf, etwa für Neocaridina palmata 2 € pro Tier, die Amanogarnele      minutus, C. montezumae und C. patzcuarensis ‘Schoko‘, alles­ amt
Caridina multidentata 3 €, für Neocaridina davidi ‘Blue Diamond‘      Krebse der Art C. occidentalis. Nur als „CPO“ angebotene Tiere
8 €, für eine „Taiwan Bee Panda“ 13 € oder Cambarellus patzcua-       waren auch genetisch tatsächlich C. patzcuarensis.
rensis ‘orange‘ (CPO) 8 €. Ob seine Kollegen eine Ahnung hätten,
was am oberen Ende für eine Süßwasser-Zwerggarnele aufgerufen            Hier zeigten sich also gravierende Unterschiede. Der Käufer kön-
würde? Ein paar Dutzend Euro konnten sich die Wissenschaftler         ne sich hier offenbar nicht immer auf die Bezeichnungen von Fän-
etwas zaghaft vorstellen, doch die rund 6.100 € für eine „Skyfish     gern vor Ort, Großhändlern, Züchtern und letztlich Händl­ern ver-
Metallic Blue Boa Black“ verblüfften das Auditorium. Von daher sei    lassen. „Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen die taxonomi-
es natürlich nicht unbedingt ganz unwichtig, ob man tatsächlich       schen Probleme, denen Käufer, aber auch Händler, Großhändler,
auch die gesuchte Art bekomme, folgerte Raupach.                      Züchter als auch Fänger ausgesetzt sind. Denn eine absichtlich
                                                                      falsche Klassifizierung unterstellen wir niemandem. Vielmehr zei-
   So entsprachen im Falle der getesteten Caridina-Arten die un-      gen die Ergebnisse eine notw­ enige Aufarbeitung, die von wissen-
tersuchten Tiere mit einigen Ausnahmen im Wesentlichen den            schaftlicher als auch aquaristischer Seite gemeinsam begonnen
Arten, die man auch erwerben wollte. Interessanterweise fan-          werden sollte“.
den sich für verschiedene Arten, etwa Caridina logemanni, klar
getrennte Gruppen oder „Cluster“ wieder (Bei zwölf getesteten            Raupach und Bininda-Emonds planen nun die Analyse weiterer
Caridina-Arten mit 77 Individuen aus dem Handel wiesen zwei           Tiere mit zusätzlichen molekularen Markern und morphologischen
Schwarze Bienengarnelen und eine „Taiwan Bee Blue Bolt“ eine          Charakteristika (Materialspenden erwünscht, Kontaktadresse: mi-
recht hohe genetische Distanz von 7 bis 8 % zu den anderen            chael.raupach@uol.de).
C. logemanni auf). Die Ursache ist hierfür aktuell noch unklar, kann
aber möglicherweise ein Resultat von Hybridisierungen sein. Für          Bei den anderen Vorträgen und Postern der zweijährlich statt-­
die untersuchten Neocaridina-Arten stimmten Angaben mit der           findenden Tagung ging es um viele Aspekte aller möglichen Crus­
tatsächlichen Art überein. Aber auch hier wurden verschiedene         taceen. Das Treffen ist ein bedeutendes Forum für deutschsprachige
distinkte „Cluster“ nachgewiesen.                                     Krebstierforscher, das jedoch keiner festen Institution zugeordnet
                                                                      ist. Vielmehr richtet jedes Mal ein Team einer anderen Forschungs-
   Etwas anders verhielt es sich schon bei den Zwergflusskreb-        einrichtung in der Republik den Kongress aus, „was vielleicht den
sen. Dabei stellte sich heraus: Gekaufte Exemplare von Camba-         Charme dieser Tagung ausmacht: spontane, ungezwungene und
rellus diminutus, C. puer, C. shufeldtii und C. texanus wiesen eine   familiäre Atmosphäre bei gleichzeitig hohem wissenschaftlichem
100%-ige Übereinstimmung zu C. ninae auf – die Verkaufsanga-          Anspruch“, glaubt der Berliner Organisator Professor Dr. Gerhard
ben stimmten also nicht. Weitere als C. diminutus verkaufte Tiere     Scholz. Dazu sei es eine fruchtbare Mischung aus Nachwuchs und
entpuppten sich als C. schmitti und in einem weiteren „Cluster“       etablierten Forschern, wo sonst könnten so angstfrei die ersten
                                                                      Vorträge und Poster der Wissenschaftskarriere präsentiert werden.
                                    Alle Teilnehmer versammelten
                                    sich zum Gruppenfoto vor dem         Nele Heitland, Torben Riehl und Angelika Brandt von der Uni-
                                    Biologie-Institut.                versität Hamburg zeigten ein evolutionäres „Waffenrennen“, das
                                                                      zu ausgeprägten Sexualdimorphismen und dem Entstehen neu-
                                                                      er Spezies im Gebiet der Ursprungsarten bei den Macrostylidae
                                                                      führt, einer Isopoden-Familie. Die Untersuchung der Entwick-
                                                                      lung bei diesen Tiefsee-Asseln überzeugte durch ihre comichafte
                                                                      Poster-Gestaltung – das war mal etwas ganz anderes in der ver-
                                                                      meintlich trockenen Wissenschaftswelt!

                                                                          Text & Fotos: Oliver Mengedoht

                                                                                                                                       53
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