Page 57 - Aquaristik Ausgabe 4/2022
P. 57
Wenn ich von meinen Fischfangreisen in den Tropen
erzähle, geben viele unumwunden zu, dass so etwas
für sie nichts wäre, weil es viel zu gefährlich sei –
schon wegen der „wilden Tiere“, und dann werden
meist Schlangen, Krokodile und Piranhas genannt.
Doch die sind, wenn man vorsichtig ist, eher
ungefährlich. Die schlimmsten Erlebnisse hat
man dagegen mit kleinen Plagegeistern, etwa
den Kriebelmücken, deren Weibchen winzige 1
Wunden in die Haut beißen, um das sich dort
sammelnde Blut aufzusaugen.
Durch den dabei abgegebenen Speichel fan-
gen die Mini-Wunden an zu jucken. Kratzt man
sich, können sich die Bisse heftig entzünden! 2014
litten meine Begleiter und ich am Río Sipapo (pH-
Wert 4,5, Leitwert 4 µS, 29 °C), etwas nördlich von San
Fernando de Atabapo, und im weiter südlich in den
Orinoco mündenden Ventuari im südlichen Venezuela
ganz besonders unter diesen Mistviechern… 2
Von Puris und Piums
Die je nach Art nur zwei bis sechs Millimeter groß
werdenden Puris, wie sie in Venezuela heißen, sind
tagsüber, vor allem aber morgens und am späten Nach-
mittag aktiv, nachts schlafen sie. Punktuell sind sie in
„wolkenartiger“ Dichte vorhanden, sodass sich in sol-
chen Gegenden kaum Menschen ansiedeln. Weltweit
kommen etwa 2.000 Arten vor.
Ein schönes Beispiel ist der Aripuranã (nordöstlich
von Porto Velho) in Brasilien, den wir 1996 per Fähre
überqueren mussten. Normalerweise entsteht dort, 3
wo eine wichtige Straße einen größeren Fluss über-
quert, schnell eine Stadt – dort aber nicht: Die wenigen
Leute, die den Fährbetrieb aufrechterhalten, haben
den ganzen Tag einen Lappen in der Hand, mit dem
sie ununterbrochen die Kriebelmücken verjagen, die
in Brasilien übrigens Piums heißen.
Deren Menge war dort so unerträglich, dass sich
meine Begleiter im Auto sitzend (!) Handtücher um
den Kopf wickelten und sich Socken anzogen, während
wir auf die Abfahrt warteten. Ich selbst schnappte mir
Schnorchel und Brille und suchte im Fluss nach Fischen,
um die Zeit sinnvoll zu nutzen.
rochen und Erdfresser 1 An der Fähre über den Aripuranã kommt die Mannschaft erst,
wenn es unbedingt nötig ist. Die Piums sind einfach unerträglich!
Am Sipapo und Ventuari ist es nicht ganz so schlimm,
aber ohne lange Hosen und langärmelige Hemden mit 2 Potamotrygon schroederi, einer der von uns gefangenen „Blumen-
hochgeschlagenem Kragen und einer Mütze ist es dort rochen“.
tagsüber kaum auszuhalten! Wir waren vorgewarnt 3 Wegen der Puris sind langärmelige Hemden und lange Hosen
tagsüber ein MUSS!
4/2022 57
AQ2022-04_Endkorrektur_Buch.indb 57 16.05.2022 11:15:42