Page 41 - Aquaristik Ausgabe 4/2022
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Minuten lang. Die Berliner Forscher untersuchten mit Professor Jens Krause. Forscherin Juliane Lukas ergänzt:
mexikanischen Kollegen von der Universitä t von Ta- „Wir mü ssen uns diese Systeme genauer ansehen, um
basco, ob diese Wellenbewegung einen Einfluss auf das zu verstehen, wie sich kollektive Verhaltensweisen wie
Verhalten der jagenden Vö gel hat. Tatsä chlich fanden ein Wahrnehmungssignal wirklich entwickelt haben.“
sie heraus, dass Grünfischer (Chloroceryle americana), In einem nä chsten Schritt wollen die Forscher he-
eine Eisvogelart, umso lä nger mit einem erneuten An- raus finden, wie viele Fische an den Wellen teilnehmen
griff warteten, je mehr Wellen sie nach ihrem ersten mü ssen, um die Verzö gerung von Angriffen und Ver-
Angriff erlebten. ringerung des Beuteerfolgs zu erzielen…
Auffällig, wiederholt und regelmäßig
Jedoch lö sen nicht alle angreifenden Vogelarten bei
den Fischen diese wiederholten Wellen aus. Der
Schwefeltyrann (Pitangus sulphuratus) geht nä mlich
auf andere Art auf Beutezug als der Eisvogel, der mit
seinem ganzen Kö rper ins Wasser eintaucht: Er steckt
nur seinen Schnabel ins Wasser. Das fü hrt dazu, dass
die Fische nur eine einzige Welle erzeugen, und die
Vö gel können ihre Angriffe immer wieder und mit sehr
hoher Frequenz wiederholen.
Diese Beobachtung veranlasste die Forschenden
dazu, die Wirkung von Wellen auf die Vögel zu un-
tersuchen. Sie lö sten wiederholte Fischwellen aus,
wenn Schwefeltyrannen ihre Jagd begannen, indem
sie gezielt kleine Gegenstä nde ins Wasser einwarfen.
Wenn sie mit mehreren Wellen konfrontiert wurden, Auch der Schwefeltyrann macht Jagd auf die Schwefelmollys, aber anders
verzö gerten die Schwefeltyrannen ihre Angriffe, wie als der Eisvogel.
es auch die Eisvö gel tun. Ihre Erfolgsrate sank und sie
wichen eher auf andere Flussabschnitte aus.
Dass Fische abtauchen, um Vö geln zu entkommen,
ist ein hä ufig beobachtetes Phä nomen. Aber das wie-
derholte Abtauchen, selbst wenn der angreifende
Vogel nicht mehr in der Nä he ist, ist einzigartig: „Da
die beobachteten Wellen auffä llig, wiederholt und
regelmä ßig waren und die Intervalle zwischen den
einzelnen Wellen immer ä hnlich lang, gehen wir da-
von aus, dass es mehr als eine reine Fluchtreaktion
ist“, erklä rt Dr. David Bierbach.
Die Autoren vermuten, dass die Wellen dazu die-
nen kö nnten, den angreifenden Vogel zu verwirren.
Außerdem könnte sich die Wellenbewegung im Zuge
der Evolution als ein Signal der Schwefelmollys an die
Vö gel entwickelt haben, von dem beide Seiten profi-
tieren. Vö gel kö nnen Zeit und Energie sparen, wenn Warnschild vor dem unwirtlichen Lebensraum am schwefelhaltigen Wasser.
sie den La-Ola-Fischschwarm nicht angreifen, da ihre
Erfolgsaussichten gering sind.
Fü r die Fische sei es von Vorteil, ein Signal zu geben, Literatur
wenn sie einen Rä uber entdecken, denn der Rä uber D��a�, Carolina, et al. (2021): Fish waves as emergent collective
wird daraufhin woanders jagen. „Eine solche Win-win- antipredator behavior. Current Biology 32 (3): 708-714. https://kur-
Situation ist notwendig, damit sich ein gemeinsames zelinks.de/laolafische
Signal zwischen Beute und Rä uber entwickeln kann“, so
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