Page 19 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 06/2021
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Während der Periode des Niedrigwas- Weitere Zufluchtsorte finden sie in stei- Dort beobachtete ich wiederholt balzende
sers, in der das Wasser aus den über- nigen Flussabschnitten. In Felshabitaten am Exemplare und Paare, die miteinander un-
schwemmten Wäldern wieder abfließt und Rio Atabapo habe ich Gruppen vom Hohen ter Frontaldrohen ritualisierte Kämpfe aus-
in das eigentliche Flussbett zurückkehrt, Segelflosser während des Niedrigwassers führten, und offenbar begannen, territorial
müssen die Segelflosser diesen für sie häufig in senkrechten Gesteinsspalten, zu werden.
idealen Lebensraum zeitweilig verlassen, einem für sie eher untypischen Habitat, Unterwasserbeobachtungen in den
weil er größtenteils austrocknet. Vorüber- gefunden, weil sie nur dort Schutz und natürlichen Lebensräumen verschiede-
gehend müssen sie dann unter ausgespro- Unterschlupf finden. ner Pterophyllum-Arten ergaben, dass alle
chen ungünstigen Umweltbedingungen le- Segelflosser in der Natur die meiste Zeit
ben: Am Rand der verbleibenden Gewässer Sozialverhalten und des Jahres in kleinen Gruppen zusammen-
bieten ihnen in der Niedrigwasserperiode huderphaSe leben, die im Allgemeinen aus ungefähr
vor allem die Äste und Zweige von Baum- Zu Beginn der Hochwasserzeit, bei wieder einem Dutzend, manchmal aber auch aus
stämmen, die am Flussufer ins Wasser steigendem Wasserstand, sah ich am Rio über fünfzig Exemplaren bestehen. Nur
gestürzt sind, die lebensnotwendigen Tapajós Gruppen vom Skalar in tieferen fortpflanzungsbereite Paare sondern sich
Versteckplätze. Bereichen des Überschwemmungswaldes. ab und gründen Reviere, die sie dann ge-
gen Artgenossen verteidigen.
Die Kenntnis der speziellen Umweltbe-
dingungen in ihren natürlichen Lebensräu-
men vergrößert auch das Verständnis für
Besonderheiten in der Brutbiologie der
Segelflosser: Im Gegensatz zur Mehrzahl
der Buntbarsche laichen sie nämlich nicht
auf am Gewässergrund liegenden Substra-
ten, sondern stets nahe der Wasserober-
fläche, wobei sie oft vertikale Substrate
bevorzugen.
Auch während der Huderphase be-
treuen sie ihre Brut niemals in einer Grube,
sondern befestigen die Larven an den Blät-
tern von Wasserpflanzen, wo sie mithilfe
ihrer Haftdrüsen in einem dichten Haufen
kleben bleiben. In der Natur dienen den
Segelflossern während des Hochwassers
untergetauchte Teile der Vegetation des
Überschwemmungswaldes als Laichsub-
strat.
Text & Fotos: Wolfgang Staeck
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