Page 40 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 04/2021
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FiSCHe
Mehr Fische in der Wüste
als gedacht
Wiener Forscher entdecken neue kryptische Arten
Die Fisch-Vielfalt im trockenen Wüstenstaat gebaut wurde. Erste DNA-Untersuchungen daher besonders verwundbar. Größer wer-
Oman wurde bisher unterschätzt – so lau- zeigten, dass die Spezies genetisch isoliert dende Bedrohungen sind Bauvorhaben, die
tet das Fazit einer Forschergruppe um Dr. von ihren sehenden Verwandten aus Ober- wachsende Ausbeutung der Grundwasser-
Sandra Kirchner, wissenschaftliche Mitar- flächengewässern ist und außerdem auch und Wasservorkommen, Versalzung und
beiterin der Garra-Forschungsgruppe am Populationen verschiedener Gewässer sich Kontamination der Böden durch Meer-
Naturhistorischen Museum Wien (NHM). deutlich unterscheiden. wasserentsalzung.
Im Aquarium erfreuen sich vor allem die Äußerlich zeigen diese Tiere aber kaum
asiatischen Saugbarben der Gattung Garra Unterschiede. Tatsächlich repräsentiert G.
aufgrund ihres Eifers als Algenfresser gro- barreimiae fünf unterschiedliche Arten.
ßer Beliebtheit im Hobby. Es gibt aber auch Genetisch derartig klar abgegrenzte Ar-
Garra-Arten in der Wüste! ten, die sich in äußeren Merkmalen augen-
Die Landschaft des Staates im Südosten scheinlich nicht unterscheiden, nennt man
der arabischen Halbinsel wirkt lebensfeind- kryptische Arten oder auch Zwillingsarten.
lich für Fische, doch ist sie durchzogen von Im Verbreitungsgebiet dieser fünf Spezies Foto: NHM Wien
einem Netz aus oberirdischen Wasser- herrschen ähnliche Umweltbedingungen,
läufen und unterirdischen Verbindungen weswegen die übliche Ausprägung unter- Garra shamal wurde aus küstennahen Ge-
entlang des Hajar-Gebirges. Sie dienen als schiedlicher Merkmale durch Auslese kaum wässern rund um Muscat beschrieben.
Rückzugsort und Verbreitungsweg für ver- stattfindet – durch längere geografische
schiedene Süßwasserorganismen. Isolation aber dennoch die Gene ausein-
So etwa für die blinde und unpigmen- ander driften.
tierte, zartrosa erscheinende Höhlenform „Wir können davon ausgehen, dass viele
des Barben-ähnlichen Fischs Garra bar- kryptische Arten existieren, die aussterben,
reimiae. Die Art war ausschließlich aus bevor sie überhaupt entdeckt werden“,
unterirdischen Seen eines Höhlensys- warnt Kirchner. Große Regionen auf der
tems bekannt und geriet in den Fokus der Weltkarte seien unzureichend erforscht. Foto: NHM Wien
Wissenschaft, als die 4,5 Kilometer lange Anhand der neu entdeckten Garras im Nor-
Al-Hoota-Höhle zu einer Schauhöhle aus- den des Oman konnte beispielhaft gezeigt Die neue Art Garra sharq kommt aus dem
werden, wie die Biodiversität in Wadi Kabbah und einigen Quellen im Lan-
vielen Regionen unterschätzt und desinneren des oman.
damit auch nicht genug geschützt
wird, erklärt die junge Forscherin.
Die Verbreitungsgebiete die-
ser Fische sind klein und isoliert, LiTeraTur
Foto: Sattmann/NHM Wien Sandra Kirchner und Robert Illek, the Garra species of the Hajar Mountains in
Sandra Kirchner et al. (2020): Revision of
Oman and the United Arab Emirates with the
description of two new species (Teleostei:
Leiter der Zoologischen Hauptprä-
Cyprinidae). DOI: 10.11646/zootaxa.4751.3.6
paration, vor ort bei der Erfor-
– https://kurzelinks.de/wuestenfische
schung neuer Fischarten im oman.
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AQ2021-04_Umlauf.indb 40 17.05.2021 12:19:06