Page 78 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 04/2018
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Faktencheck
Wildfänge haben bei Tierfreunden oft einen schlechten Ruf: später treiben dann Milliarden von Larven die Flüsse hinunter, um
Fehlende Nachhaltigkeit und Gefährdung natürlicher Bestände sich in den Unterläufen zu entwickeln. Ein Teil dieser Larven wird
sind gängige Stichworte, die gegen den Wildfang ins Feld geführt mit feinen Netzen von Zierfischfängern vorsichtig abgekeschert.
werden – dem gegenüber steht die Nachzucht vergleichsweise Die Fische werden dann in Zuchtfarmen aufgezogen und bilden
gut da, auch wegen der vermeintlichen geringeren Belastung mit später den Großteil der im Zoofachhandel erhältlichen Exemplare.
Parasiten. Doch stimmen diese Urteile überhaupt?
Saubermann Nachtzucht?
Problemfall Wildfang? Viele der beliebtesten, vor einigen Jahren noch vorwiegend der
Dem Vorwurf, dass Wildfang die Natur entnommenen Zierfischar-
natürlichen Bestände gefährde, ten werden heute immer häufi-
Nachzucht
Nachzucht
werden Fänger und Exporteure ger als Nachzuchten gehandelt.
dank verantwortungsvollem Ar- Nachzucht Die meisten kommen aus Süd-
beiten nicht gerecht. Sie sind der- ostasien, wo die Kosten für die
maßen professionalisiert, dass es Zucht überaus gering sind. Das
und
und
bei Fang und Versand kaum zu Ver- Wasser wird meist den Flüssen
lusten kommt. Außerdem können und entnommen und die Arbeitslöh-
Wildfangtiere in der Regel lediglich ne sind gering. So ging der Anteil
saisonal zur Trockenzeit gefangen an osteuropäischen Nachzuchten,
werden – deshalb schadet der Ex- etwa aus Polen, Tschechien oder
Wildfang
Wildfang
man durchaus von nachhaltiger Wildfang der Slowakei, in den vergangenen
Wildfang
Wildfang
Wildfang
port dem Bestand der Arten kei-
neswegs. Aus diesem Grund kann
Jahren merkbar zurück: Dort sind
Nutzung dieser natürlichen Res- neben den Löhnen auch die Ne-
benkosten für Strom und Wasser
source sprechen, denn die Tiere deutlich teurer als in Südostasi-
wachsen jedes Jahr in gleicher im Faktencheck en, wo Nachzuchten eine wichtige
Anzahl wieder nach. Viele Familien Einnahmequelle sind.
bestreiten mit dem Zierfischfang Allerdings ist es ein Irrglaube,
ihren Lebensunterhalt. Sie leben mit der Natur „Um die gewohnte dass Nachzuchten gesünder als Wildfänge sind,
im Einklang. Sie schätzen und schützen die Natur. Auswahl an Arten für da diese ja häufig Parasiten mit sich tragen:
Bislang wurde noch keine Süßwasserfischart durch unser schönes Hob- Da Zierfische in den Tropen meist in Freiland-
den Fischfang im Bestand gefährdet. Die wirkli- by beizubehalten, teichen vermehrt werden, sind auch sie Para-
chen Probleme bereiten den tropischen Fischen siten ausgesetzt, die beispielsweise durch Vö-
vielmehr die immer stärkere Zerstörung ihrer Le- sind Nachzuchten gel oder Schnecken übertragen werden können.
bensräume, die Abholzung der Regenwälder, die wie Wildfänge Außerdem fehlt bei der Zucht die natürliche Aus-
Vergiftung der Flüsse oder auch der Eingriff in die gleichermaßen lese durch Fressfeinde, sodass auch schwächere
Natur durch den Bau von Staudämmen. unverzichtbar.“ Exemplare in den Handel gelangen.
Text & Fotos: Ingo Seidel
Die Prachtschmerle als Beispiel nachhaltiger
Nutzung Ingo Seidel arbeitet schon seit einigen
Eine besonders nachhaltige Nutzung von Wildfängen kennen wir Jahren als Autor für den Dähne Verlag.
übrigens von der Prachtschmerle (Chromobotia macracanthus): Sein Spezialgebiet sind die Welse. Er ist
Sie ist auf den indonesischen Inseln Borneo und Sumatra hei- im Zierfischgroßhandel aqua-global be-
misch. Die geschlechtsreifen Tiere führen zur Laichzeit Laich- schäftigt.
wanderungen in die Oberläufe der großen Flüsse durch. Etwas
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