Page 3 - iy Fachmagazin Ausgabe 04/2020
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Kommentar

            Das Ende der
            Globalisierung?

            Erinnern Sie sich noch an den Kommentar in der       dramatischen Rückgang des privaten und öffent-
            vorherigen Ausgabe von diy? Unter dem Titel          lichen Konsums. Die Konsequenzen für die ein-
            „Keine Panik!“ hatte ich einen Appell geschrieben,   zelnen Volkswirtschaften wären dann nämlich
            trotz der Ausbreitung des Coronavirus (Covid-19)     viel länger akut und spürbar.
            doch als Aussteller und als Besucher auf die Inter-
            nationale Eisenwarenmesse Anfang März 2020              Eine der Folgen könnte, so manche Auguren,
            nach Köln zu kommen. Der Kommentar – gut ge-         das Ende der Globalisierung sein, wie wir sie bisher
            meint – ist ein Beispiel dafür, wie                  kannten. Lösen also Begriffe wie „Entflechtung“
            schnell Papier von aktuellen Ereignis-
            sen und Entwicklungen für den Pa-                                  und „produktive Diversifizierung“
            pierkorb produziert werden kann.                                   Schlagworte wie „Disruption“ und
            Denn kaum war der Wuhan-Virus in                                   „Transformation“ ab? Vielleicht teil-
            Europa angekommen, setzte eine Er-                                 weise. Darauf zu achten, dass spezi-
            eigniskette ein, die bestimmt war von                              fische regionale/lokale Produktions-
            einer Mischung von ernster Sorge,                                  agglomerationen (man denke nur an
            wohlüberlegten Vorsichtsmaßnahmen                                  die Herstellung von Arzneimitteln)
            und Hysterie. Ein mediales Gegen-                                  eher zurückgefahren werden und
            steuern war da unmöglich.                                          man sich produktionstechnisch glo-
                                                                               bal breiter aufstellt, scheint ein Gebot
               Von dem neuen Virus sind weltweit nicht nur                     der Stunde. Die momentanen Ent-
            die meisten Messen sowie viele Reiseveranstal-       wicklungen bieten Regionen, die bisher eher
            ter, Gaststättenbetriebe und Großveranstaltun-       außerhalb des europäischen Interesses lagen,
            gen betroffen, jetzt geht es auch an die wirt-       auch Chancen. Das kann so falsch nicht sein und
            schaftliche Substanz – auch die der DIY-Branche:     hat nichts mit „nationalen Egoismen“ zu tun.
            Produktions- und Lieferketten können über einen      Dass der Fokus von China oder Südostasien jetzt
            längeren Zeitraum unterbrochen werden, die Glo-      vielleicht auch auf andere Weltgebiete gerichtet
            balisierung fordert „dank“ des Coronavirus ihre      wird, ist vernünftig, aber noch lange keine Abkehr
            ersten Opfer. Dass diese weltweite wirtschaftli-     von der grundsätzlich globalen Ausrichtung unse-
            che Erschütterung gerade durch eine Epidemie/        rer Volkswirtschaften. Dieses Rad lässt sich nicht
            Pandemie ausgelöst wurde, wer hätte das 2019         wieder zurückdrehen. Es ist aber vernünftig, die
            noch vermutet?                                       Welt in Zukunft auch aus wirtschaftlicher Sicht
                                                                 mehr als Ganzes zu sehen.
               Infolge der rasanten Corona-Ausbreitung in
            Europa (namentlich in Italien) und ab März auch      Herzlichst Ihr
            in Amerika brachen die Börsen zeitweise zusam-
            men, die Zahlen für die wirtschaftliche Entwick-     Dr. Joachim Bengelsdorf
            lung der einzelnen Volkswirtschaften wurden für
            2020 kräftig nach unten korrigiert. Dabei, so          Tel.: +49/7243/575-208 • j.bengelsdorf@daehne.de
            Prof. Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Ins-
            tituts für Weltwirtschaft, liege die Hauptproble-
            matik gar nicht so sehr im Wegbrechen der Pro-
            duktion beziehungsweise der Unterbrechung der
            Handelsströme, sondern in einem möglichen

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