Page 28 - CaridinaAusgabe 4/2022
P. 28

Drei mögliche Winksignale







             Schwenkfrequenz als mögliches Zeichen für die Fitness des Männchens






               Tiersignale können sehr komplex sein, insbesondere solche, die bei der Partnerwer-
               bung genutzt werden. Sie können mehrere Elemente enthalten, die unterschiedliche



               Funktionen besitzen – einige basierend auf der Signaleffizienz und andere auf dem
               Signalinhalt. Diese Signale können nacheinander ablaufen oder sich überlagern.
                  Winkerkrabben sind ein besonderes Beispiel für sexuelle Selektion. Männchen

               haben eine einzelne, enorm vergrößerte Winkschere, die während der Paarungszeit
               wiederholt geschwenkt wird, um Weibchen anzulocken. Es hat sich gezeigt, dass
               die Geschwindigkeit des Scherenschwingens eine der stärksten Auswirkungen auf
               die Partnerwahl der Weibchen hat, denn Weibchen bevorzugen schnellere Wink-
               geschwindigkeiten.

                  Es ist wahrscheinlich, dass die Schwenkfrequenz für die Weibchen wichtige In-

               formationen kodiert – wie etwa die Fitness der Männchen. Das Schwenken der
               Schere ist jedoch energetisch kostspielig, insbesondere bei der hohen Winkrate,



               die Weibchen attraktiv finden. Darüber hinaus ist das Geschlechterverhältnis der

               Populationen stark männchengeprägt: Bei der typischen Art Austruca mjoebergi

               kommen 45 winkende Männchen auf ein paarungssuchendes Weibchen.
                  Bei  der  Winkerkrabbe  Austruca lactea  wurde  ein  komplexes  Paarungssignal
               mit drei aufeinanderfolgenden Signaltypen nachgewiesen, die teilweise in einem
               anderen Kontext gegeben werden. Die ersten beiden Signale sind eher Achtungs-
               signale, die auf die Signalwirksamkeit/-effizienz ausgelegt sind. Sie dienen dazu,


               die Aufmerksamkeit der Weibchen auf sich zu ziehen, bevor das Männchen auf
               das inhaltstragende Signal umschaltet, das für die Partnerwahl verwendet wird.
                  Die Männchen produzieren unkoordinierte Signalfolgen, solange sie kein Weib-

               chen sehen. Dieses Schwenken tritt während der täglichen Paarungszeit bei Ebbe

               stetig, aber eher in geringer Folge auf. Sobald ein Weibchen für das Männchen
               sichtbar wird, wechselt es dazu, „gerichtete Signale“ zu erzeugen; diese werden
               schneller gegeben und ihre zeitliche Folge entspricht der Anzahl von paarungssu-
               chenden Weibchen – je mehr Weibchen, umso schneller wird gewinkt.
                  Sowohl die allgemeinen als auch die ersten gerichteten Signale scheinen eher
               auf Signaleffizienz als auf Signalinhalt ausgelegt zu sein. Sie sind Achtungssignale,


               welche die weibliche Aufmerksamkeit auf die Anwesenheit und den Standort des

               Männchens lenken sollen. Der dritte Signaltyp ist das Balzsignal. Es wird ausgesandt,
               wenn das Weibchen dem Männchen nahe ist, und entspricht dem typischen infor-

               mationstragenden Partnerwahl-Signal, das auch bei anderen Winkerkrabbenarten
               zu finden ist.

                                                              Text & Fotos: André Luty









        28                                                                                                    4/2022



   CAR2022-04_Endkorrektur_Buch.indb   28                                                                        24.10.2022   12:29:16
   23   24   25   26   27   28   29   30   31   32   33