Page 53 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 01/2022
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Ich wohne seit 15 Jahren in Thailand. Die Sprache habe
           ich leidlich erlernt, kann sie aber nicht schreiben. Was
           ich jedoch ausgiebig studierte, sind die Verhaltens-
           weisen der Menschen, denn das macht mir Spaß.
           Anfangs benahm ich mich wie jeder Ausländer sich
           benehmen sollte, zurückhaltend und mit Respekt
           zur „fremden“ Kultur.
              Das ging gut bis zu dem Zeitpunkt, als ich


           mitbekam, dass es gar keine richtige traditio-  1
           nelle Kultur gibt. So ziemlich alles in Thailand
           ist „Copy“, Mischmasch und zusammengereimt,
           kurz: Die Leute haben keine eigenen Ideen. Da-
           nach orientierte ich mich wieder nach meinem

           eigenen Gutdünken, was mir meistens weiterhalf –
           auch dabei, viele Geschichten zu sammeln. Und mein
           relativ früh gebildeter Slogan für Thailand „Erwarte


           alles, glaube nichts“ hat bis zum heutigen Tage Bestand.
              In einem Teil Südthailands hegen die Leute noch sehr
           wilde und ursprüngliche Gedanken. Mir ist hier schon   2

           alles beim Inspizieren bestimmter Tier- und Pflanzenha-


           bitate passiert: von blutiger, gebrochener Nase bis hin
           zu grenzenlosem Spaß bei der Übersetzung deutscher
           Witze in das Thailändische und andersrum. Die nachfol-

           gende, sehr spaßige und im weiteren Verlauf ernsthafte
           Geschichte soll zeigen, dass die Einwohner Thailands von
           uns „Farang“ mental nicht einschätzbar sind.

            übeRall neugIeRIg

           Wir  waren  eine  kleine  Reisegruppe  enthusiastischer
           Aquarianer. Der eine Teil begeisterte sich für Labyrinth-

           fische, der andere Teil für Welse. Wir stiegen an der   3

           Ostflanke des Khao-Luang-Gebirges nahe dem Ort Hoi

           Moo auf. Mein Ziel war eine Quelle auf etwa 500 m
           Höhe im Gebirge, von da aus der Urwaldbach bis zum

           Eintritt in den Fluss.
              Dort kommt neben einigen anderen Fischarten vor




           allem die maulbrütende Kampffischart Betta ferox häufig


           vor, ebenso wie der Schlangenkopffisch Channa gachua.
           An einigen Stellen am Bach im primären Wald sind wun-
           derschöne Biotope mit Wassermoosen und -farnen zu
           bestaunen. Nach etwa fünf schönen Stunden erreichten
           wir den Fluss, wo wir neben Welsen der Gattung Glyp-

           tothorax auch die extrem rheophile (strömendes Wasser

           bevorzugende) Ambliceps foratum ausfindig machten.  1   Am Bach stehen Wassermoose Taxiphyllum sp. und Wasserfarne
              Schnell schlossen sich uns Kinder der nahen Ort-  Leptochilus (Microsorum) sp. bilden herrliche Bestände, an denen
           schaft an. Wie überall in der Welt sind Kinder neugierig,   man gern verweilt.

           wenn Fremde kommen. Die Begegnungen sind immer   2 Bett a ferox ist immer eine Augenweide, ob im Fangnetz…
           herzlich und spaßig und natürlich „wissen“ die Kinder   3   …im Aquarium oder direkt im Mikrohabitat aufgenommen.
           immer von viel tolleren Fischarten zu berichten. Auch
           diese hier kannten ganz bunte Fische, sogar rote sollten




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