Page 63 - Aquaristik Fachmagazin Ausgabe 05/2021
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Obwohl das Internet und die Verbesserung der dortigen

           Infrastruktur Reisen in die Verbreitungsgebiete tropi-

           scher Aquarienfische in den letzten Jahrzehnten er-
           heblich vereinfacht haben, gibt es noch Fundorte,
           die mit dem Mietwagen unerreichbar und ohne
           Übernachtungsmöglichkeiten in einer kom-
           fortablen Touristen-Lodge sind. Eine nur auf

           einer gut vorbereiteten Expedition zu berei-
           sende Region ist das Einzugsgebiet des Rio
           Casiquiare im Südwesten von Venezuela.


            eXPedItIoN Zum cASIQuIARe
           Von Puerto Ayacucho, durch einen ein-
           stündigen Flug mit der Hauptstadt Caracas
           verbunden, gelangten wir nach einer fünf-
           tägigen Bootsfahrt zum Casiquiare. Vor der
           Abfahrt mussten Benzin, Verpflegung und vor

           allem Getränke und Trinkwasser für die gesamte

           Tour eingekauft werden, weil das später nicht mehr
           möglich war. Übernachtet haben wir unterwegs in Hän-
           gematten auf Sandbänken oder gelegentlich in den   1

           Gästehäusern der weit auseinander liegenden Dörfer
           der indigenen Bevölkerung.                      2
              Mit einer Länge von etwa 350 Kilometern ist der
           Casiquiare ein für südamerikanische Verhältnisse nur

           kleiner Fluss. Dennoch haben sich Naturwissenschaftler
           aus unterschiedlichsten Fachgebieten immer wieder
           für dieses Gewässer interessiert, das durch eine Gabe-
           lung des oberen Orinoko entsteht und ein linksseitiger


           Quellfluss des Rio Negro ist. Je nach Jahreszeit werden
           vom Casiquiare zwischen einem Zehntel und einem

           Drittel des Orinokowassers zum Rio Negro abgeleitet.
            dIe BIFurKATIOn                                3
           Berichte über die Flussverbindung gibt es seit dem
           17. Jahrhundert. Deren Richtigkeit wurde jedoch in

           der Fachwelt bezweifelt. Erst Alexander von Humboldt
           dokumentierte Verlauf und Fließrichtung des Flusses

           und räumte letzte Zweifel aus. Am 10. Mai 1800 star-
           tete er an der Mündung des Casiquiare, um, elf Tage

           flussaufwärts fahrend, an dessen Anfang den Orinoko
           zu erreichen (Jaspert 1979).
              Humboldt  erfasste  aber  auch  für  die  Aquaristik

           relevante Zusammenhänge: So beschrieb er den Pi-
           ranha Pygocentrus cariba (Humboldt, 1821), den wir

           am  Casiquiare  angelten,  und  er  ermittelte  dort  die   1   Junges Männchen von Heros severus aus dem Casiquiare.
           Wassertemperatur mit 24 Grad Celsius.            2   In diesem Hafen bei Puerto Ayacucho begann unsere Bootsreise.
              Der Casiquiare verbindet zwei Fischregionen mit   3   Als typisch für die Ufer des Casiquiare beschrieb Humboldt die
           zum Teil verschiedenen Arten. Ichthyologen (Winemil-  Chirivapalme (Syagrus romanzoffiana).





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